Rein zufällig konnten Forscher um Rachel Grant von der Open University in Milton Keynes nun das Verhalten von Erdkröten vor, während und nach einem Erdbeben dokumentieren. In einer Studie zum Laichverhalten dieser Amphibien am Lago di San Ruffino in Zentralitalien zählten sie zwischen Ende März und Ende April 2009 jeden Abend die Kröten in einem genau bestimmten Uferbereich. Am 6. April ereignete sich das Erdbeben von L´Aquila mit einer Stärke von 5.8 auf der Richterskala, dem annähernd 100 Menschen zum Opfer fielen. Das Epizentrum lag 74 Kilometer vom Laichplatz der Erdkröten entfernt.
Das Laichgeschäft hatte Ende März gerade erst begonnen, doch plötzlich verschwanden fünf Tage vor dem Hauptbeben 96 Prozent der männlichen Kröten vom Laichgewässer. Bis zum 15. April ? zwei Tage nach dem letzten stärkeren Nachbeben ? blieb ihre Zahl im Vergleich zu anderen Jahren auf einem tiefen Niveau. Zudem fanden die Forscher bei ihren täglichen Kontrollgängen bis zum 20. April auch keinen frischen Laich mehr.
Das Wegziehen der Kröten ist ein außergewöhnliches Verhalten, denn normalerweise bleiben die Männchen für mehrere Tage im Laichgewässer, bis die Laichablage abgeschlossen ist ? vom Paarungsgeschäft bis zur Laichablage. Wetterveränderungen konnten die Wissenschaftler ausschließen, da Messdaten von einer benachbarten Station keine stärkeren Schwankungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Niederschlag zeigten. Hingegen ergab sich eine gute Übereinstimmung von aufgezeichneten Störungen in der Ionosphäre ? eine 80 Kilometer über der Erdoberfläche beginnende Luftschicht ? und dem plötzlichen Verschwinden der Kröten am Laichplatz. Solche Störungen können mit einem Radio Sounding im niederfrequenten elektromagnetischen Bereich erfasst werden und treten häufig vor einem Erdbeben auf: Freigesetzte Radongase oder Schwerewellen verändern nämlich das elektrische Feld in der Ionosphäre. Die Erdkröten könnten zum Beispiel ins Grundwasser frei gesetztes Radongas wahrgenommen haben, da sie sehr sensitiv auf Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des Wassers reagieren.
Zwar ist immer noch nicht klar, wie genau die Kröten die drohende Erdbebengefahr erkennen, aber schon alleine die Fähigkeit dazu erstaunt die Wissenschaftler. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Kröten bestimmte Anzeichen vor einem Erdbeben wie zum Beispiel freigesetzte Gase als Warnzeichen wahrnehmen können“, erklärt Studienleiterin Grant. Die Tiere könnten das Laichgewässer verlassen haben, um sichere Regionen aufzusuchen, wo das Risiko von Erdrutschen, Felsschlag oder Überflutung kleiner ist.