Die Stinkende Nieswurz verfügt über eine natürliche Heizanlage: Hefekulturen in ihrem Nektar erhöhen die Temperatur der im Winter blühenden Pflanze. Auf diese Weise zieht das Gewächs trotz der Kälte Bestäuber an und kann sich damit leichter vermehren als andere Pflanzen. Das haben spanische Forscher entdeckt, als sie den Einfluss der Hefepilze auf den Wärmehaushalt des Hahnenfußgewächses untersuchten. Einen Vorteil bringt die Heizung aber nicht nur der Nieswurz, sondern auch den bestäubenden Insekten: Eine Nektarmahlzeit im Warmen ermöglicht den kälteempfindlichen Tierchen, länger aktiv zu sein.
Dass bestimmte Pflanzen über Heiz-Mechanismen verfügen, ist schon länger bekannt. Allerdings sind die Wissenschaftler bisher davon ausgegangen, dass die Flora nur zwei Möglichkeiten kennt, um zu mehr Wärme zu gelangen: entweder über Abgabe von Wärme, wobei die Pflanze ihre Temperatur von innen her reguliert, oder über passive Absorption von Sonnenlicht. Nun haben die Forscher um Herrera von der Estación Biológica de Doñana in Sevilla einen völlig neuen Heiz-Mechanismus entdeckt: Der Nektar in den Blumen der Stinkenden Nieswurz (Helleborus foetidus) kann bis zu sechs Grad wärmer sein als die nähere Umgebung der Pflanze. Verantwortlich für diese erhöhte Temperatur sind Hefepilze, die im Nektar leben. Diese bauen den Zucker im süßen Pflanzensaft ab, wobei große Mengen Wärme frei werden.
Für ihre Untersuchung entfernten die Wissenschaftler die Hefepilze aus den Blüten einiger Nieswurz-Pflanzen. Die Temperatur des Nektars sank sofort stark ab. In einem zweiten Experiment versetzten sie junge, noch hefefreie Blüten mit dem Pilz und maßen die Temperatur des Nektars, die Lufttemperatur innerhalb der Blüten und die Lufttemperatur der Umgebung. Dabei entdeckten die Forscher, dass sich der Nektar infolge der Hefeaktivität stark erwärmte und die Temperaturdifferenz zwischen Blumeninnenraum und Umgebung ebenfalls zunahm.
Die Hefe gilt eigentlich als Parasit, schreiben die Wissenschaftler: Sie reduziert den Zuckergehalt im Nektar, den die Pflanze für mögliche Bestäuber produziert. Damit verliert der süße Pflanzensaft an Attraktivität für die nahrungssuchenden Insekten. Nach Ansicht der Forscher impliziert diese Interpretation aber, dass weder Gewächs noch Bestäuber von der Präsenz der Hefe profitieren. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Insekten besuchen die Stinkende Nieswurz nicht in erster Linie wegen des Nektars, sondern wegen der Wärme in ihrem Blütenkelch. Damit entsteht dank der Parasiten eine „Win-win-Situation“ für die Pflanzen und die Bestäuber.
Carlos Herrera (Estación Biológica de Doñana, Sevilla) Proceedings of The Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, doi:10.1098/rspb.2009.2252 ddp/wissenschaft.de ? Regula Brassel