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Der Evolutions-Tacho

Erde|Umwelt

Der Evolutions-Tacho
Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat bei einer kleinen Pflanze erstmals Evolution live und in Echtzeit beobachtet ? und damit gleichzeitig die Geschwindigkeit gemessen, mit der sie voranschreitet: Innerhalb von 30 Generationen, also etwa vier Jahren, traten in jeder der fünf überwachten Linien der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana 20 Veränderungen im Erbgut auf. Damit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Veränderung, auch Mutation genannt, vorkommt, bei sieben Milliardsteln. Anders ausgedrückt: Jedes neue Pflänzchen hat im Durchschnitt zwei Mutationen in seinem Erbgut, die bei seinen Eltern noch nicht vorhanden waren.

Die kleine Ackerschmalwand ist ein Liebling der Genforscher: Sie wächst in nur sechs bis acht Wochen vom Samen zu erwachsenen Pflanze heran, ist recht genügsam und hat ein Erbgut, das insgesamt 120 Millionen Doppel-Bausteine, sogenannte Basenpaare, enthält. Sie ist zudem die erste Pflanze, deren Genom vollständig analysiert wurde, so dass heute ein sehr genauer Bauplan des kleinen Gewächses verfügbar ist. Genau das machten sich jetzt auch Stephan Ossowski aus Tübingen und seine Kollegen zunutze: Sie ließen fünf Arabidopsis-Linien je 30 Generationen lang wachsen und verfolgten, welche Mutationen während dieser Zeit entstanden.

Am Ende unterschieden sich die fünf Pflänzchen durch insgesamt 99 Mutationen von ihren Urahnen, und an 17 weiteren Stellen im Genom hatten sich Bereiche eingeschoben oder waren verloren gegangen, berichten die Forscher. Das erscheine zwar auf den ersten Blick nicht gerade beeindruckend, zeige aber, dass das Genom flexibler ist als gedacht: Es seien lediglich 60 Millionen Pflanzen nötig, damit im Schnitt an jeder Stelle des Erbguts eine Mutation vorkommt ? und das ist bei einer Pflanzenart, die Tausende von Samen in jeder Generation produziert, nicht viel.

Laut den Forschern sind die neuen Daten für viele Bereiche der Biologie wichtig. So erklärt die relativ große Geschwindigkeit etwa, wie Pflanzen schon nach wenigen Jahren immun gegen die Wirkung von Unkrautvernichtungsmitteln werden können. Zudem scheint man als Züchter offenbar bloß eine ausreichend große Anzahl von Pflanzen zu benötigen, um mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine vorteilhafte Mutation zu erhalten. Die Ergebnisse erlauben auch, die Abstammungsverhältnisse der Pflanzen besser zu charakterisieren. Die Linie von A. thaliana hat sich demnach vermutlich nicht wie bislang angenommen vor fünf, sondern schon vor 20 Millionen Jahren von der ihrer Schwesterart A. lyrata getrennt.

Schließlich hilft die neue Arbeit, die genetische Entwicklung des Menschen zu verstehen ? denn seine Mutationsrate ähnelt mit hoher Wahrscheinlichkeit der von Arabidopsis. „Alles, was genetisch möglich ist, wird demnach innerhalb recht kurzer Zeit durchgetestet“, kommentiert Co-Autor Detlef Weigel. Das Arbeitstempo der Evolution liege also deutlich über dem, das man ihr bisher zuschreibt ? und das in Jahrtausenden oder gar Jahrmillionen gemessen wird.

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Stephan Ossowski (Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen) et al.: Science, Bd. 327, S. 92 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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