Die neuen Ergebnisse zeigen jetzt jedoch: Es ist nicht der weibliche, sondern der männliche Weg, der aktiv unterdrückt werden muss. Gezeigt hatte sich das bei erwachsenen Mäuseweibchen, denen die Forscher einen Schalter ins Erbgut eingebaut hatten. Damit ließ sich ein Gen mit Namen Foxl2, das sich bereits in früheren Studien als eine Art Dirigent bei der Ausbildung weiblicher Geschlechtsmerkmale hervorgetan hatte, gezielt ausschalten. „Wir hatten erwartet, dass die Mäuse keine Eizellen mehr produzieren würden“, erzählt Studienleiter Mathias Treier. Die Konsequenzen waren jedoch viel dramatischer: Praktisch sofort sprangen Sox9 und verschiedene andere Gene an. Parallel wurde aus dem Gewebe, das bisher die sich entwickelten Eizellen unterstützt hatte, ein Zellverbund, der auch im Hoden vorkommt und den Spermien eine optimale Umgebung bietet. Zudem wechselten auch die hormonproduzierenden Zellen ihr Geschlecht: Statt Östrogen produzierten sie plötzlich große Mengen Testosteron.
Foxl2 muss demnach auch im erwachsenen Organismus ständig aktiv sein, um Sox9 in einem Ruhezustand zu halten und damit diese überraschende Geschlechtsumwandlung zu verhindern. Das Gen arbeitet dabei offenbar mit einem Östorgenrezeptor zusammen und unterdrückt ein bestimmtes DNA-Element, das wiederum für die Aktivierung von Sox9 zuständig ist. Da das System bei sehr vielen Säugetieren existiert, scheint es schon sehr früh in der Evolution entstanden zu sein, schließen die Forscher. Sie vermuten, dass es auch hinter Fällen von Geschlechtsumwandlungen bei erwachsenen Tieren, beispielsweise bei Fischen, stecken könnte. Die Beteiligung des Östrogenrezeptors sei zudem sehr interessant, weil sie erklären könnte, warum bei manchen Frauen mit Beginn der Wechseljahre eine Vermännlichung eintritt ? fehlt nämlich das weibliche Geschlechtshormon, funktioniert die Kooperation der beiden Partner nicht mehr und der männliche Modus springt an.