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Was eine Frau weiblich macht

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Was eine Frau weiblich macht
Ein einziges Gen ist dafür verantwortlich, dass ein Eierstock auch tatsächlich ein Eierstock bleibt und sich nicht plötzlich in einen Hoden verwandelt: Wird es ausgeschaltet, beginnt das Eierstockgewebe praktisch sofort, männliche statt weibliche Geschlechtshormone zu produzieren und männliche Eigenschaften zu entwickeln. Diese überraschende Entdeckung haben deutsche und britische Forscher jetzt bei Mäusen gemacht, bei denen sie das Gen namens Foxl2 ausgeschaltet haben ? ein Erbgutabschnitt, der nicht einmal auf den Geschlechtschromosomen liegt. Die Konsequenzen ihrer Entdeckung seien immens, kommentieren die Wissenschaftler: Zum einen stellen die Ergebnisse das bisher gültige Modell infrage, nach dem das weibliche Geschlecht sozusagen der Standardmodus ist. Zum anderen eröffnen sie ein völlig neues Verständnis von Phänomen wie der Intersexualität, bei der Menschen nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, schreiben Henriette Uhlenhaut vom EMBL in Heidelberg und ihre Kollegen.

Bei den meisten Säugetieren besitzen ebenso wie beim Menschen die weiblichen Exemplare zwei X-Geschlechtschromosomen, während die männlichen ein X- und ein Y-Chromosom im Erbgut tragen. Bisher nahmen Forscher an, dass sich ein männliches Tier nur dann entwickelt, wenn ein Gen namens Sry vorhanden ist, das auf dem Y-Chromosom liegt und einen wichtigen Regulator ? das Sox9-Gen ? anschaltet. Fehlt es, bildet sich ein weibliches Tier. Damit wäre die weibliche Form der Standard, und die männliche Form entsteht nur, wenn mit Hilfe von Sry der weibliche Pfad aktiv unterdrückt beziehungsweise der männliche aktiv eingeschaltet wird.

Die neuen Ergebnisse zeigen jetzt jedoch: Es ist nicht der weibliche, sondern der männliche Weg, der aktiv unterdrückt werden muss. Gezeigt hatte sich das bei erwachsenen Mäuseweibchen, denen die Forscher einen Schalter ins Erbgut eingebaut hatten. Damit ließ sich ein Gen mit Namen Foxl2, das sich bereits in früheren Studien als eine Art Dirigent bei der Ausbildung weiblicher Geschlechtsmerkmale hervorgetan hatte, gezielt ausschalten. „Wir hatten erwartet, dass die Mäuse keine Eizellen mehr produzieren würden“, erzählt Studienleiter Mathias Treier. Die Konsequenzen waren jedoch viel dramatischer: Praktisch sofort sprangen Sox9 und verschiedene andere Gene an. Parallel wurde aus dem Gewebe, das bisher die sich entwickelten Eizellen unterstützt hatte, ein Zellverbund, der auch im Hoden vorkommt und den Spermien eine optimale Umgebung bietet. Zudem wechselten auch die hormonproduzierenden Zellen ihr Geschlecht: Statt Östrogen produzierten sie plötzlich große Mengen Testosteron.

Foxl2 muss demnach auch im erwachsenen Organismus ständig aktiv sein, um Sox9 in einem Ruhezustand zu halten und damit diese überraschende Geschlechtsumwandlung zu verhindern. Das Gen arbeitet dabei offenbar mit einem Östorgenrezeptor zusammen und unterdrückt ein bestimmtes DNA-Element, das wiederum für die Aktivierung von Sox9 zuständig ist. Da das System bei sehr vielen Säugetieren existiert, scheint es schon sehr früh in der Evolution entstanden zu sein, schließen die Forscher. Sie vermuten, dass es auch hinter Fällen von Geschlechtsumwandlungen bei erwachsenen Tieren, beispielsweise bei Fischen, stecken könnte. Die Beteiligung des Östrogenrezeptors sei zudem sehr interessant, weil sie erklären könnte, warum bei manchen Frauen mit Beginn der Wechseljahre eine Vermännlichung eintritt ? fehlt nämlich das weibliche Geschlechtshormon, funktioniert die Kooperation der beiden Partner nicht mehr und der männliche Modus springt an.

Henriette Uhlenhaut (EMBL, Heidelberg) et al.: Cell, Bd. 139, S. 1130 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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