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Per Anhalter übers Mittelmeer

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Per Anhalter übers Mittelmeer
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Vor 30 Millionen Jahren kam der Urahn der Schnecke Tudorella über die Kontinentalverschiebung von Südeuropa nach Nordafrika. Foto: Markus Pfenninger
Landschnecken der Gattung Tudorella sind nicht eben dafür bekannt, dass sie weite Wegstrecken zurücklegen oder ausdauernde Schwimmer sind. Auch fliegende Exemplare wurden bislang noch nicht gesichtet. Wie also haben es die Schnecken geschafft, das Mittelmeer zu überqueren? Auf diese Frage hat ein internationales Forscherteam um Markus Pfenninger von der Goethe-Universität Frankfurt am Main nun eine Antwort gefunden: Die Kontinentalverschiebung sorgte dafür, dass Tudorella-Arten heute nicht nur in Südeuropa, sondern auch in Nordafrika anzutreffen sind. Als vor rund 30 Millionen Jahren eine Platte vom europäischen Festland abbrach, reisten die darauf befindlichen Tiere auf den Bruchstücken gen Afrika, berichtet die Universität.

Prinzipiell hätten die Schnecken auch erst vor rund fünf Millionen Jahren von Europa nach Afrika gelangen können, als das Mittelmeer über einen Zeitraum von mehreren zehntausend Jahren ausgetrocknet war. Diese Theorie hielten die Wissenschaftler jedoch für unwahrscheinlich, denn Tudorella verbringt die meiste Zeit tief in die Erde eingegraben und kommt nur bei feuchter Witterung an die Oberfläche. „Aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten lässt sich ausschließen, dass die Schnecke aktiv und selbständig das Mittelmeer überquerte“, so Pfenninger, „und auch eine Verschleppung durch andere Tiere ist unwahrscheinlich“.

Doch welche passive Transportmöglichkeit hätte sie gehabt? Diese Frage brachte die Forscher auf die Idee, die Kontinentaldrift könne die Ursache für das weite Verbreitungsgebiet der Schecken sein. Um ihre Theorie zu überprüfen, verfolgten sie den Stammbaum der europäischen und der afrikanischen Tudorella-Arten zurück: Ihr Ziel war es, den letzten gemeinsame Vorfahren der Schneckenarten zu bestimmten. Denn auf diese Weise hätten sie zugleich auch der Zeitpunkt ermittelt, zu dem die Tiere das Mittelmeer überquerten und sich anschließend in verschiedene Arten aufspalteten.

Bei der Suche nach dem Schneckenurahn machten sich die Wissenschaftler die Theorie der sogenannten Molekularen Uhr zunutze: Sie geht davon aus, dass Mutationen, die jeder Artentwicklung vorangehen, in ungefähr gleichen Zeitabständen erfolgen. Aus der Häufigkeit der DNA-Unterschiede zwischen den europäischen und den afrikanischen Tudorella-Arten konnten die Forscher somit berechnen, wann die Aufspaltung der Arten begonnen haben muss. Das Ergebnis passte: Der letzte gemeinsame Vorfahre der Schnecken lebte demnach vor rund 30 Millionen Jahren ? eben zu der Zeit, da sich eine Platte vom europäischen Festland löste und auf Afrika zusteuerte.

„Wir konnten damit zeigen, dass sich die ungewöhnliche Verteilung der Tudorella nicht durch biologische, sondern durch geologische Prozesse erklären lässt“, erläutert der Biologe Markus Pfenninger. „Diese Erkenntnis trägt dazu bei, die Verteilung von Arten besser zu verstehen und erklärt nebenbei das Phänomen, warum Nordafrikas Fauna und Flora mit Europa stärker verwandt ist als mit dem Rest Afrikas.“

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Markus Pfenninger (Goethe-Universität, Frankfurt am Main) Molecular Phylogenetics and Evolution, doi: 10.1016/j.ympev.2009.09.024 ddp/wissenschaft.de ? Mascha Schacht
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