Eine eiweißreiche Ernährung ist möglicherweise gar nicht so gut fürs Gehirn wie bisher angenommen: Sie scheint bei Mäusen mit einer Alzheimer-artigen Erkrankung zu einem verkleinerten Denkorgan zu führen. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt ein Forscherteam um Sam Gandy von der Mount Sinai School of Medicine in New York. Die Wissenschaftler untersuchten, wie sich verschiedene Ernährungsweisen auf den Krankheitsverlauf von Mäusen mit einer Veranlagung zur Alzheimer-Krankheit auswirken. Im Moment sei allerdings unklar, ob diese Effekte auch beim Menschen eine Rolle spielen, schreiben die Forscher. Bisher hatten Studien nur Hinweise darauf ergeben, dass eine fettarme Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Fisch die Alzheimer-Krankheit verzögern kann.
Das Forscherteam aus den USA, Kanada und Großbritannien untersuchte, wie sich verschiedene Ernährungsweisen bei genetisch veränderten Mäusen auswirken, die eine Veranlagung für die Alzheimer-Krankheit haben. Das Gehirn dieser Mäuse bildet eine veränderte Form des Proteins APP, das ähnlich auch beim Menschen vorkommt. Aus diesem entstehen später die so genannten Amyloid-Plaques, die charakteristisch für die Alzheimer-Krankheit sind. Die Mäuse erhielten im Alter von vier bis 18 Wochen vier unterschiedliche Futterarten: Neben dem Standardfutter enthielt ihre Nahrung entweder viel Fett und wenig Kohlenhydrate, viel Eiweiß und wenig Kohlenhydrate oder viele Kohlenhydrate und wenig Fett. Kohlenhydrate kommen vor allem im Zucker, aber auch in hohem Maße in Getreide und Hülsenfrüchten vor.
Gandy und sein Team interessierte nun, wie sich die unterschiedliche Ernährung auf die Plaque-Bildung, die Größe des Gehirns und die Struktur verschiedener Hirnregionen auswirkte. Dabei machten die Forscher eine überraschende Entdeckung: Die Mäuse mit der eiweißreichen Ernährung hatten ein um fünf Prozent leichteres Gehirn als die Mäuse aller anderen Gruppen. Außerdem war ihr Hippocampus weniger entwickelt ? eine Hirnregion, die bei Lernen und Gedächtnis eine wichtige Rolle spielt.
Zukünftige Untersuchungen müsste allerdings erst zeigen, ob das verringerte Hirnvolumen tatsächlich mit der Bildung von Alzheimer-Plaques zusammenhängt oder ob es auch bei genetisch nicht veränderten Mäusen auftreten kann, schreiben die Forscher. Aus früheren Untersuchungen schließen Gandy und sein Team jedoch, dass eine eiweißreiche Ernährung die Gehirnzellen für Alzheimer-Plaques empfindlicher machen könnte. ?Die Ergebnisse legen die Frage nahe, ob bestimmte Ernährungsweisen den Beginn und das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit begünstigen können?, sagt Gandy. Um diese Frage zu beantworten, müsste man allerdings verschiedenen Personengruppen per Zufall unterschiedliche Ernährungspläne zuordnen ? ein ethisch sehr bedenkliches Vorgehen. ?Aber wenn Wissenschaftler jemals spezifische Ernährungsempfehlungen für Alzheimer-Patienten aussprechen wollen, wären solche Untersuchungen notwendig?, so Gandy.
Sam Gandy (Mount Sinai School of Medicine, New York) et al.: Molecular Neurodegeneration, Online-Vorabveröffentlichung vom 20. Oktober ddp/wissenschaft.de ? Christine Amrhein