Die normalerweise hilfreichen Bakterien in Mundhöhle und Darm fördern möglicherweise die Entwicklung von antibiotikaresistenten Krankheitserregern: Sie bergen ein bisher übersehenes, aber beachtliches Reservoir an Genen mit dem Bauplan für Proteine, die Antibiotika unschädlich machen können, haben US-Forscher jetzt entdeckt. Diese Gene, bei denen es sich sowohl um bereits bekannte als auch völlig neue Varianten handelt, können von den Darmbakterien an Krankheitserreger weitergegeben werden, wenn diese in Kontakt mit den menschlichen Untermietern kommen. Einziger Trost: Diese Übergabe kommt offenbar nur bei einem Teil der Resistenzgene tatsächlich regelmäßig vor ? für die restlichen scheint es eine Barriere zu geben, die die Verbreitung behindert.
Antibiotikaresistenzen werden zunehmend zum Problem: Immer mehr Bakterienarten können mit herkömmlichen Medikamenten nicht mehr abgetötet werden und verursachen daher lebensbedrohliche Krankheiten. Die Gene, die dafür verantwortlich sind, entwickeln sich jedoch nur selten in den jeweiligen Bakterienstämmen, sondern werden meist von anderen Bakterien übernommen. Häufig geschieht dies, indem ein kleines ringförmiges DNA-Stück mit dem entsprechenden Gen von einem Bakterium zum anderen wechselt. Um die Bildung weiterer resistenter Bakterienstämme eindämmen zu können, ist es daher von zentraler Bedeutung, herauszufinden, woher diese Resistenzgene jeweils stammen.
Ein wichtiges Reservoir könnten die bakteriellen Untermieter des Menschen sein, zeigen nun die Ergebnisse von Sommer und seinem Team. Die Wissenschaftler hatten aus Speichel und Stuhl von zwei gesunden Freiwilligen Erbgut isoliert und es anschließend in Escherichia-coli-Bakterien einschleust, um zu testen, ob darunter auch Resistenzgene waren. Tatsächlich entdeckten sie 95 verschiedene DNA-Abschnitte, die es den Mikroben ermöglichten, eines oder mehrere von 13 getesteten Antibiotika unschädlich zu machen. Von diesen Genen ähnelten lediglich 22 Prozent bereits bekannten Varianten, die anderen waren entweder nur entfernt oder gar nicht mit schon beschriebenen Genen verwandt. Die Kultivierung einiger Mikroorganismen aus dem Darm brachte weitere 115 Resistenzgene zutage, von denen allerdings die meisten schon bei Krankheitserregern nachgewiesen worden waren.
Das zeige, dass die im menschlichen Körper lebenden Mikroben über viel mehr Resistenzgene verfügen als bislang angenommen, so die Forscher. Sie vermuten zudem, bisher nur an der Oberfläche des Eisbergs tatsächlich vorhandener Genvarianten gekratzt zu haben, und schätzen, dass jeder Mensch wohl viele hundert verschiedene Resistenzgene beherbergt. Wie groß die Gefahr ist, dass diese Gene weitergegeben werden, scheint dabei unterschiedlich zu sein: Einige Varianten scheinen regelmäßig an Krankheitserreger zu gehen, während andere aus bisher unbekannten Gründen offenbar nicht oder nur selten ausgetauscht werden.
Morten Sommer (Harvard-Universität in Boston) et al.: Science, Vol. 325, S. 1128 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel