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Sehen mit links

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Sehen mit links
Ein zehnjähriges Mädchen kann normal sehen, obwohl seine rechte Hirnhälfte fast vollständig verkümmert ist. Seine linke Hirnhälfte scheint alle visuellen Reize allein zu verarbeiten ? sowohl jene, die ins linke, als auch jene, die ins rechte Gesichtsfeld fallen, zeigt eine neue Untersuchung. Für die Entwicklung eines vollständigen Gesichtsfelds sind eigentlich beide Hirnhälften notwendig, denn jede Hirnhälfte reagiert nur auf Reize aus dem jeweils gegenüberliegenden Gesichtsfeld.

Als das Mädchen, das die Forscher als „AH“ bezeichnen, dreieinhalb Jahre alt war, brachten es die Eltern wegen epileptischer Anfälle zum Arzt. Neben diesen Anfällen und einer Verkümmerung des rechten Auges zeigte das Mädchen jedoch keine Auffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen. Erst eine genauere Untersuchung ihres Gehirns mittels bildgebender Verfahren zeigte: Die rechte Hirnhälfte des Mädchens war fast vollständig verkümmert. Nach der siebten Schwangerschaftswoche müsse diese Hirnseite aufgehört haben zu wachsen, schlossen die Ärzte aus den Untersuchungen. Mittlerweile ist das Mädchen zehn Jahre alt und kann mit ihrem linken Auge fast so gut sehen, wie es Menschen üblicherweise nur mit zwei Augen können. Ohne die Augen zu bewegen, hat es von links nach rechts einen Blickwinkel von rund 170 Grad und von oben nach unten von rund 110 Grad, was einem vollständigen Gesichtsfeld entspricht.

Wie das funktioniert, war allerdings unklar, denn Menschen benötigen für die Entwicklung eines vollständigen Gesichtsfelds normalerweise beide Gehirnhälften. Die linke Hirnhälfte verarbeitet nämlich eigentlich nur Reize aus dem rechten Gesichtsfeld, also Reize aus der Umwelt, die von rechts kommen, und die rechte Hirnhälfte nur Reize aus dem linken Gesichtsfeld. Die Wissenschaftler untersuchten jetzt deshalb die Aktivität der linken Gehirnhälfte von AH auf visuelle Reize, die entweder ins linke oder ins rechte Gesichtsfeld des Mädchens fielen. Tatsächlich ist die linke Hirnhälfte des Mädchens bei allen Reizen aktiv, entdeckten die Forscher.

Genauere Untersuchungen zeigten, dass Sehnerven, die eigentlich zur rechten Hirnhälfte führen sollten, bei AH in die linke Hirnhälfte münden. Vermutlich war zum Zeitpunkt, als sich die Sehnerven entwickelten, die rechte Hirnhälfte schon so weit geschädigt, dass sie keine Signale mehr senden konnte. Weil Signale fehlten, die die Nerven zur rechten Hirnhälfte leiteten, wuchsen sie stattdessen zur linken. Wahrscheinlich konnte sich das Gehirn des Mädchens gerade durch die frühe Verkümmerung der rechten Hirnhälfte so flexibel entwickeln, beurteilen die Forscher die Beobachtungen. Denn Patienten, die erst später, beispielsweise durch eine Operation, eine Hirnhälfte verlieren, können keinen derart vollständigen Sehsinn mehr entwickeln.

Lars Muckli (Universität in Glasgow) et al.: PNAS, doi:10.1073/pnas.0809688106 ddp/wissenschaft.de ? Stefanie Strauch
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