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Mit allen verfügbaren Mitteln

Bücher

Mit allen verfügbaren Mitteln
B-09-17 Patient ohne Verfügung.jpg
Matthias ThönsPATIENT OHNE VERFÜGUNGPiper, München 2016320 S., € 22,00ISBN 978–3–492–05776–9E-Book für € 17,99ISBN 978–3–492–95255–2

Todkranke Krebspatienten und hochbetagte Herz- oder Nierenkranke, die mit nutzlosen Therapien gequält werden – der Narkose- und Palliativmediziner Matthias Töns hat Erschütterndes zu berichten. „Insbesondere interessieren mich vergleichbare Erlebnisse in Ihrer Familie“, schreibt er auf der letzten Seite seines Buchs.

Erlauben Sie es mir, dem Rezensenten, folgende Geschichte beizusteuern: Meine 91-jährige, stark demente Mutter konnte sich nicht mehr verständlich äußern. Seit einem Jahr erkannte sie mich nicht. Eines Tages rief das Seniorenheim an: Meine Mutter verweigere Essen und Trinken. Nährinfusionen halfen nicht: Sie lag apathisch im Bett, stöhnte. Sollte sie ins Krankenhaus gebracht werden, um sie mit einer Magensonde künstlich zu ernähren? Eine hinzugezogene Ärztin riet ab: Das Krankenhaus würde – trotz anderslautender Patientenverfügung – meine Mutter mit allen verfügbaren Mitteln behandeln.

Auch Töns hat diese Erfahrung gemacht. Und er erklärt das vor allem mit finanziellen Motiven. So beziffert er in vielen Fußnoten, welchen Geldbetrag die Kliniken für die jeweilige Therapie bekommen.

Ich folgte dem Rat der Ärztin. Daraufhin sagte eine Pflegerin: „Wir können Ihre Mutter doch nicht einfach verhungern lassen.“ Welcher Druck auf die Angehörigen ausgeübt wird – auch davon handelt Thöns‘ Buch. Die Lektüre hat mein Gewissen beruhigt. Denn der Mediziner stellt klar, dass Magensonden peinigen und das Leben nicht verlängern – es sei denn, die künstliche Ernährung geschieht wegen eines defekten Speisewegs. Die Menschen sterben eben nicht, weil sie nicht essen, sondern sie essen nicht, weil sie sterben.

Genauso wie Magensonden können Strahlen- und Chemotherapie, Dialyse oder Herzkatheder-OP sich zu einem Instrument des „Sterbeverlängerungskartells“ (Thöns) wandeln. Doch der Arzt schildert nicht nur das Schicksal der leidenden Menschen und die Gründe für Übertherapie. Er zeigt auch auf, wie man individuell und gesellschaftlich gegensteuern kann. Ein sehr lesenswertes Buch zu einem elementaren Thema, das oft verdrängt wird.

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© wissenschaft.de – Frank Frick
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