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Holzgebäude als CO2-Senke

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Holzgebäude als CO2-Senke
Nachhaltige Forstwirtschaft könnte eine Materialrevolution ermöglichen. (Bild: Sabine Hortebusch/iStock)

Statt auf Zement und Stahl sollten wir auf einen altbewährten Naturstoff setzen, sagen Forscher: Nachhaltig produziertes Holz könnte den Städtebau von einer Treibhausgas-Quelle in eine CO2-Senke verwandeln, geht aus ihrer Analyse hervor. Das natürliche Baumaterial wirkt sich dabei doppelt günstig aus: Die enormen Treibhausgasemissionen aus der Zement- und Stahlproduktion könnten eingedämmt werden und in Bäumen gebundenes CO2 wird dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt. Bei klugem Management wäre die erforderliche Holzmenge auch nachhaltig produzierbar, geht aus den Analysen hervor.

Die Energiegewinnung und die Landwirtschaft verursachen bekanntlich enorme Treibhausgasemissionen – doch es gibt eine Kohlendioxidquelle, die weit weniger prominent ist: die Herstellung von Zement und Stahl. Die Emissionen entstehen dabei vor allem durch die chemischen Reaktionen im Produktionsprozess, aber auch durch den enormen Bedarf an Hitze. „Verstädterung und Bevölkerungswachstum werden eine enorme Nachfrage nach dem Bau neuer Gebäude für Wohnen und Gewerbe schaffen – daher wird die Produktion von Zement und Stahl eine Hauptquelle von Treibhausgasen bleiben, wenn wir nicht handeln“, sagt Galina Churkina vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

CO2-Schleuder Bauwesen

Wenn wir wie bisher mit Beton und Stahl bauen und die Bodenfläche pro Person nach dem aktuellen Trend zunimmt, könnten den Forschern zufolge bis 2050 die weltweiten Emissionen aus mineralischen Baustoffen bis zu einem Fünftel des menschlichen CO2-Emissionsbudgets ausmachen. Wir sollten diesem Aspekt also Aufmerksamkeit schenken, wenn wir die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius halten wollen, wie es das Pariser Abkommen vorsieht.

In diesem Zusammenhang haben Churkina und ihre Kollegen nun das Potenzial des Baustoffes Holz ausgelotet. Dabei geht es vor allem um den Einsatz von technisch verarbeiteten Versionen wie Brettschichtholz, das den Ansprüchen beim Bau angepasst ist. Durch bestimmte Behandlungen kann das Material auch feuerfest gemacht werden, betonen die Forscher. Ihnen zufolge ist „engineered wood“ ein Baustoff, der bei entsprechender Förderung ein enormes Potenzial im Städtebau besitzt. Dazu haben die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie anhand verfügbarer Daten vier Szenarien für die nächsten dreißig Jahre modelliert.

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Im Holz steckt Potenzial!

Aus den Ergebnissen geht hervor: Wenn es weitergeht wie bisher, werden bis 2050 nur 0,5 Prozent der Neubauten mit Holz gebaut. Wenn hingegen eine Massen-Holzproduktion gefördert wird, könnte der Anteil weltweit auf 10 oder sogar 50 Prozent steigen. Wenn auch Länder mit einer derzeit geringen Industrialisierung den Übergang zur Holzbauweise schaffen, sind sogar 90 Prozent Holz im Bau denkbar, erklären die Wissenschaftler.

Unter zwei Voraussetzungen könnte dies dann einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der Klimastabilisierungsziele des Pariser Abkommens leisten. „Erstens: Die geernteten Wälder werden nachhaltig bewirtschaftet. Zweitens: Das Holz aus dem Abriss von Gebäuden wird weiterverwendet“, sagt Churkina. Dann könnten hunderte Millionen von Tonnen Kohlenstoff langfristig aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein fünfstöckiges Wohngebäude aus Brettschichtholz kann beispielsweise bis zu 180 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter speichern. „Bäume bieten uns eine Technologie von beispielloser Perfektion“, sagt Co-Autor Hans Joachim Schellnhuber. „Sie entziehen unserer Atmosphäre CO2 und wandeln es in Sauerstoff zum Atmen und in Kohlenstoff im Baumstamm um, den wir nutzen können. Ich kann mir keine sicherere Art der Kohlenstoffspeicherung vorstellen“. Der andere wichtige Faktor ist die Einsparung: Der Bau von Holzgebäuden kann die Emissionen von Treibhausgasen aus der Stahl- und Zementherstellung erheblich reduzieren, verdeutlichen die Forscher.

Nachhaltige Holzproduktion scheint möglich

Doch kann so viel Holz überhaupt nachhaltig für den Bau bereitgestellt werden? Um dieser Frage nachzugehen, werteten die Wissenschaftler Statistiken zu Holzernten sowie weitere Informationsquellen aus. Daraus entwickelten sie komplexe Simulationsmodelle, um das Potenzial der Holzerzeugung einzuschätzen. Ihren Ergebnissen zufolge könnten allein die derzeit ungenutzten Holzernten den Bedarf des 10-Prozent-Holz-Szenarios decken.

Durch gezielte Maßnahmen wäre den Forschern zufolge aber auch deutlich mehr möglich. „Wenn der Einsatz von Bauholz stark gesteigert werden soll, ist der Schutz der Wälder vor nicht nachhaltiger Abholzung und einer Vielzahl anderer Bedrohungen entscheidend wichtig“, betont Co-Autor Christopher Reyer. „Unsere Vision für eine nachhaltige Bewirtschaftung und Regulierung könnte aber die Situation der Wälder weltweit tatsächlich sogar verbessern, da diesen dann ein höherer Wert zugemessen wird“, betont Reyer. „Zusätzlich wären Plantagen erforderlich, um den Bedarf zu decken, einschließlich des Anbaus von schnell wachsendem Bambus durch Kleingrundbesitzer in tropischen und subtropischen Regionen. „Es gibt hier eine ziemliche große Unsicherheit sowie einen starken Bedarf an politischen Maßnahmen zur Aufwertung der Wälder und ihrer Produkte, aber grundsätzlich sieht es vielversprechend aus“, sagt Reyer.

Sein Kollege Schellnhuber sagt abschließen: „Die Menschheit hat Holz für viele Jahrhunderte für Bauwerke genutzt, doch jetzt geht es angesichts der Herausforderung der Klimastabilisierung um eine völlig neue Größenordnung. Wenn wir das Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir Menschen uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen“.

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Fachartikel: Nature Sustainability, doi:10.1038/s41893-019-0462-4

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