„Wenn wir verstehen wollen, wie die Erde bewohnbar wurde, dann müssen wir auch die chemische Evolution der irdischen Atmosphäre und Hydrosphäre kennen“, sagen Sami Mikhail und Dimitri Sverjensky von der Carnegie Institution of Washington. Schon länger ist klar, dass die Uratmosphäre der meisten Gesteinsplaneten durch Ausgasen entstanden sein muss: Gewaltige Vulkanausbrüche spien Lava und Gase und reicherten so die Atmosphäre mit Stickstoff und Edelgasen an. Diese stammten aus dem Mantelgestein und wurden beim Aufschmelzen freigesetzt. Bekannt ist zudem, dass es solche Urzeit-Ausbrüche nicht nur auf der Erde gab, sondern auch auf Mars und Venus. Zudem sind auch die Mantelgesteine der drei Planeten sehr ähnlich. Trotzdem aber ist die Erdatmosphäre anders: „Sie enthält im Verhältnis zu den primordialen Edelgasgehalten mehr Stickstoff“, wie die Forscher erklären.
Wo diese rätselhafte Stickstoff-Anreicherung in der irdischen Gashülle herkommt, darüber grübeln Forscher schon seit langem. Naheliegend wäre es, wenn der Kreislauf des Stickstoffs im Erdinneren doch irgendwie anders ablaufen würde als bei Mars und Venus. Doch um das umfassend zu belegen, fehlen bisher die Daten. Mikhail und Sverjensky hatten jedoch einen ganz bestimmten Aspekt der irdischen Geologie im Verdacht: die Plattentektonik. Denn dort, wo an den Plattengrenzen wasserhaltiges Krustengestein in die Tiefe gedrückt und aufgeschmolzen wird, herrschen extreme Bedingungen: „Überkritische wässrige Flüssigkeiten stehen dort unter einem bis zu fünf Gigapascal Druck und werden auf 600 bis 1.000 Grad erhitzt“, so die Forscher. Wie sich diese Bedingungen auf die Reaktionen und die Freisetzung von Stickstoff auswirken, haben die Forscher nun mit Hilfe von chemisch-physikalischen Modellrechnungen näher untersucht.
Stickstoffpumpe unter der Plattengrenze
Das Ergebnis: Heizt sich das Gestein unter den Plattengrenzen auf rund 1.000°C auf, entstehen in der Tiefe Bedingungen, die die Entstehung von molekularem Stickstoff fördern. „Diese im Verhältnis zum restlichen Mantel oxidierenden Bedingungen sind einzigartig für die Erde, soweit wir wissen“, berichten die Forscher. Sie kommen vor allem unter den Subduktionszonen der pazifischen Inselbögen vor. Dort bringt erst die Plattentektonik oxidierende Flüssigkeiten in das unter den Plattenrand gedrückte Gestein. Dadurch verändert sich das normalerweise reduzierende Milieu und statt Ammonium wird gasförmiger Stickstoff freigesetzt. Über die Vulkane entlang dieser Inselbögen könnte dann auch schon in der Urzeit der molekulare Stickstoff in die Erdatmosphäre gelangt sein. Diese Stickstoff-Freisetzung muss demnach etwa um die Zeit begonnen haben, in der auch die Plattentektonik auf der Erde einsetzte. Wann genau dies der Fall war, ist bisher strittig, wahrscheinlich aber geschah dies spätestens vor drei Milliarden Jahren.
Auf Mars und Venus gab es dagegen keine Plattentektonik, als Folge fehlte auch die „Stickstoffpumpe“ des Mantels. „Die Atmosphären und die Lebensfreundlichkeit von Mars und Venus haben sich daher in andere Richtungen entwickelt“, sagen die Forscher. Ihrer Ansicht nach unterstreicht dieses Ergebnis, dass die Plattentektonik nicht nur eine wichtige Rolle für das Aussehen und die Geologie eines Planeten spielt. Stattdessen könnte sie sogar eine entscheidende Voraussetzung dafür sei, dass sich auf einem Gesteinsplaneten lebensfreundliche Bedingungen entwickeln.