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Einsteins Uhren

Astronomie|Physik

Einsteins Uhren
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Kompakte Sternleichen, die spiralförmig umeinander kreisen und schließlich kollidieren, lassen das All erzittern. (Foto: ESO)
Der erste direkte (!) Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen ist ein Meilenstein in der Geschichte der Physik. Am 11. Februar 2016 hat das LIGO-Forschungsteam die Entdeckung in Washington DC verkündet. Jeder Forscher – jeder Liebhaber – der Relativitätstheorie wird diesen Tag für immer in Erinnerung behalten. Allerdings hat kaum ein Physiker die Existenz der Wellen je bezweifelt. Denn es gibt schon seit Jahrzehnten indirekte (!) Indizien dafür: Im Kosmos ticken gleichsam Einstein-Uhren. Und ihr Pulsschlag verrät die Kräuselungen der Raumzeit. Darüber berichtet bdw-Astronomie-Redakteur Rüdiger Vaas in der März-Ausgabe von bild der wissenschaft, die am 16. Februar an die Kiosks kommt. Vorab lesen Sie hier einen exklusiven Auszug.

Wenn Neutronensterne kollidieren, kommt es zu einigen der energiereichsten Explosionen im gesamten Universum: zu einer Supernova. Neutronensterne sind die Kerne ausgebrannter Riesensterne, deren äußere Schichten als Supernova in den Weltraum hinausgeschleudert wurden. Da die Mehrzahl der Sterne im All Doppelsysteme bilden, bleiben solche Sternruinen zuweilen als Paar übrig.

Mindestens 15 dieser Duos haben Astronomen bereits entdeckt. Das fasziniert auch Grundlagenphysiker. Denn solche exotischen Sternenpaare erlauben es, die Allgemeine Relativitätstheorie hochpräzise zu testen – und zwar für starke Schwerefelder und auf eine Weise, wie es im Sonnensystem niemals möglich wäre.

Physik-Nobelpreis mithilfe zweier Neutronensterne

Inzwischen gehören die Messungen bei zwei dieser Neutronenstern-Duos zu den besten Bestätigungen von Einsteins Meisterwerk. Alternative Erklärungen der Schwerkraft, die physikalisch komplizierter erscheinen, sind dagegen in Bedrängnis geraten. Das zuerst entdeckte System aus zwei Neutronensternen befindet sich ungefähr 21.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Adler. Es heißt PSR 1913+16, benannt nach seinen Himmelskoordinaten. Aufgespürt wurde es 1974 von dem US-Amerikaner Russell Hulse und seinem Doktorvater Joseph Taylor mit dem 300 Meter großen Arecibo-Radioteleskop auf Puerto Rico. Dafür erhielten beide 1993 den Physik-Nobelpreis. Denn schon bald nach der Entdeckung wurde klar, dass sich mit PSR 1913+16 neue relativistische Effekte erforschen lassen.

Die beiden Neutronensterne von PSR 1913+16 umlaufen sich einmal alle 7,8 Stunden auf stark elliptischen Bahnen. Eine der beiden Sternruinen ist ein Pulsar: Er sendet Radiostrahlung entlang seiner Magnetfeldachse ins All. Wie der Lichtkegel eines Leuchtturms überstreicht sie periodisch das Sonnensystem und kann somit von irdischen Astronomen gemessen werden. Der Pulsar braucht für eine Rotation nur 59 Millisekunden. Der andere Neutronenstern ist unsichtbar.

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Ultragenaue Uhren

Pulsare können als ultragenaue „Uhren“ im All fungieren, denn ihre Radiosignale sind extrem regelmäßig und relativ einfach zu messen. Astronomen haben seit 1967 mehr als 2500 Pulsare mit Rotationsperioden von 1,4 Millisekunden bis 8,5 Sekunden gefunden. Manche sind so stabil, dass sie innerhalb von drei Jahrzehnten um nur eine Millionstel Sekunde abweichen.

Bei PSR 1913+16 wurden die Ankunftszeiten der Radiosignale mit dem Arecibo-Teleskop zunächst auf etwa 20 Millionstel Sekunden exakt gemessen. Später ließ sich die Präzision noch um das Zehnfache steigern. Mit dieser hochgenauen Uhr war es möglich, das Zwei-Körper-System nicht bloß mit den nur näherungsweise gültigen Gesetzen von Kepler und Newton zu beschreiben, sondern auch subtile Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie zu berücksichtigen. Neben fünf klassischen Parametern wie Bahnexzentrizität und -periode, die nun mit einer Genauigkeit von besser als 1 zu 1 Million bekannt sind, lassen sich außerdem acht verschiedene relativistische Messgrößen bestimmen – und das über mittlerweile viele Jahrzehnte. Dies hat es erstmals ermöglicht, die Allgemeine Relativitätstheorie für starke Gravitationsfelder zu testen. Ergebnis: Die Messungen stimmen exzellent mit den Voraussagen überein.

Einsteins Voraussage stimmt

Noch wichtiger war der Nachweis, dass die Orbitalperiode von PSR 1913+16 um etwa 75 Millionstel Sekunden pro Jahr abnimmt. Das bedeutet: Die beiden Himmelskörper tanzen immer schneller um­einander in einer immer enger werdenden Umlaufbahn. Diese schrumpft um mehr als 3 Millimeter pro Umlauf oder um rund 3,5 Meter pro Erdjahr, sodass die beiden Neutronensterne in etwa 300 Millionen Jahren miteinander kollidieren werden.

Die Ursache für die Abnahme der Orbitalgeschwindigkeit ist, dass beschleunigte Massen Energie in Form von Gravita­tionswellen abstrahlen – analog zur Emission elektromagnetischer Strahlung, wenn Kräfte auf geladene Teilchen einwirken. Dies hat Einstein erstmals 1916 berechnet – allerdings zunächst fehlerhaft. Die Daten von PSR 1913+16 stimmen mit der Voraussage der Allgemeinen Relativitätstheorie auf 0,2 Prozent genau überein. PSR 1913+16 lieferte damit den ersten indirekten Nachweis für die Existenz von Gravitationswellen.

Was genau Physiker von Einsteins Uhren gelernt haben, wie der erst kürzlich entdeckte neue Doppel-Pulsar die Messungen zehnmal genauer machte sowie bereits Alternativtheorien zur Relativitätstheorie in Bedrängnis brachte und welche gewaltigen Kräfte im Kosmos wüten, das können Sie in der März-Ausgabe von bild der wissenschaft lesen, die am 16. Februar 2016 erscheint.

© wissenschaft.de – Rüdiger Vaas
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