Der Planet Merkur hat einen flüssigen Kern. Das haben amerikanische Wissenschaftler entdeckt, als sie die Bewegung des Himmelskörpers um die Sonne beobachteten. Wie ein rohes Ei, das beim schnellen Drehen ins Taumeln gerät, gerät auch der Planet auf seiner Bahn um die Sonne ins Ruckeln. Die Pendelbewegungen seien dabei zu stark für einen festen Körper, weshalb sich der Kern unabhängig von Mantel und Kern bewege und zumindest teilweise flüssig sein muss, so die Forscher.
Der Merkur ist der kleinste Planet unseres Sonnensystems und besteht wahrscheinlich aus einem Silikatmantel und einem Eisenkern. Aufgrund seiner geringen Masse nahmen Wissenschaftler bisher an, dass der Planet nach seiner Entstehung sehr schnell abkühlte und der Kern fest ist. Vor etwa dreißig Jahren entdeckte die Raumsonde
Mariner 10 jedoch ein schwaches Magnetfeld innerhalb des Planeten ? ein überraschendes Ergebnis, denn ein Magnetfeld ist ein Hinweis auf einen geschmolzenen Kern. Um einen endgültigen Beweis zu liefern, entwickelten Astronomen bereits damals eine Methode, um die Eigenschaften des Merkurkerns zu bestimmen. Jedoch glaubten die Wissenschaftler lange Zeit, dieses Experiment erfordere Messungen direkt auf dem Planeten.
Ein spezielles Verfahren zur Auswertung von Radarwellen ermöglichte den Wissenschaftlern um Jean-Luc Margot nun, die Bewegung des Merkurs von der Erde aus zu untersuchen. Die Forscher werteten Radarsignale aus, die Antennen von Teleskopen in Kalifornien, West Virginia und Puerto Rico aussendeten und wieder empfingen. Anhand der Zeit, die die Radarwellen zurück zur Erde benötigen und der Abweichungen zwischen den aufgezeichneten Signalen an den einzelnen Empfangsstationen können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Oberflächenrauigkeit und die Rotationsbewegung des Merkurs ziehen. Auf diese Weise konnten Margot und sein Team die Taumelbewegung mit einer extrem hohen Genauigkeit berechnen.
Mit ihrem Experiment liefern Margot und sein Team Hinweise auf die Entstehung des Planeten. Doch Eigenschaften wie Größe und Ausdehnung des Kerns und der Zusammenhang mit dem rätselhaften Magnetfeld seien noch unklar, so die Wissenschaftler. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Astronomen von der Raumsonde Messenger der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa, die voraussichtlich im Jahr 2008 an Merkur vorbeifliegen und ihn ab 2011 umkreisen wird.
Jean-Luc Margot (Cornell-Universität, Ithaca) et al.: Science, Bd. 316, S. 710 ddp/wissenschaft.de ? Claudia Hilbert