Die Familie der Zwerggalaxien in der Nachbarschaft der Milchstraße hat Zuwachs bekommen: Ein internationales Astronomenteam hat während der vergangenen Monate acht weitere, ungewöhnlich schwach leuchtende Minigalaxien entdeckt. Sieben davon scheinen die Milchstraße auf ihrem Weg zu begleiten und sind damit echte Satellitengalaxien. Die achte dagegen ist nach Ansicht der Forscher eigenständig und hat trotz ihrer geringen Größe sogar das Potenzial, neue Sterne zu hervorzubringen. „Damit haben wir fast genauso viele Milchstraßensatelliten gefunden, wie insgesamt in den siebzig Jahren davor entdeckt wurden“, freut sich Vasily Belokurov von der Universität Cambridge.
Alle sieben Satellitengalaxien befinden sich in der Nähe des Galaktischen Nordpols und damit dem Himmelsbereich, der von
SDSS-II systematisch durchgemustert wird. Zwei von ihnen liegen im Sternbild Jagdhunde, eine im Bärenhüter, eine im Löwen, eine in der Konstellation Coma Berenices, eine im Großen Bären und eine im Sternbild Herkules. Sie haben eine Reihe von ungewöhnlichen Eigenschaften, erklären die Forscher. Mit Durchmessern von maximal 2.000 Lichtjahren sind sie beispielsweise deutlich kleiner als andere
Zwerggalaxien. „Eigentlich sind sie damit eher Hobbits als Zwerge“, formuliert es Belokurov in Anspielung auf die Figuren des Schriftstellers J. R. R. Tolkien. Auch enthalten die Sternenhaufen lediglich zwischen wenigen 1.000 und 100.000 Sonnen. Zum Vergleich: Die Milchstraße selbst beherbergt mehrere hundert Milliarden Sterne.
Nach Ansicht der Forscher sind die neuen Minigalaxien Relikte aus der Zeit, als sich die Milchstraße bildete und sich dabei kleinere Begleiter nach und nach einverleibte. „Die neuen Zwerge sind also eigentlich lediglich die Krümel, die beim galaktischen Gelage übriggeblieben sind“, so Zucker. Entgehen werden die sieben Zwerge diesem Schicksal wohl auch nicht: Einige zeigen schon deutliche Anzeichen des Auseinanderbrechens, und der Zwerg im Großen Bären scheint sogar bereits in mehrere Teile zerfallen zu sein.
Anders sieht es bei der achten Minigalaxie namens Leo T aus, die als letzte der Gruppe entdeckt wurde. Mit einer Entfernung von 1,4 Millionen Lichtjahren liegt sie am äußersten Rand des Schwerkraftfeldes der Milchstraße und damit zu weit entfernt, um eine klassische Satellitengalaxie zu sein. Außerdem enthält sie zwei Arten von Sternen: eine ziemlich alte Gruppe mit einem Alter von mehr als fünf Milliarden Jahren und eine vergleichsweise junge Population, die weniger als eine Milliarde Jahre alt ist. Zusätzlich fanden die Wissenschaftler flüchtiges Gas, aus dem sich weitere Sterne bilden könnten. Sie sind zuversichtlich, mit SDSS-II in Zukunft noch mehr kleine Galaxien aufspüren zu können. Damit würden auch die theoretischen Vorhersagen bestätigt, nach denen es sehr viel mehr als die bislang entdeckten Zwerggalaxien in der Nähe der Milchstraße geben muss.
Vasily Belokurov (Universität Cambridge) et al.: Beitrag auf der 209. Konferenz der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft, Seattle ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel