Ein internationales Astronomenteam hat endlich die langgesuchten Seen auf dem Saturnmond Titan gefunden: Radaraufnahmen der Raumsonde Cassini zeigen rund um den Nordpol des Mondes eine Vielzahl dunkler Flecken, die nach Ansicht der Wissenschaftler eindeutig Ansammlungen eines flüssigen Materials, wahrscheinlich Methan, sind. Einige der dunklen Bereiche sind von kanalartigen Strukturen umgeben, bei denen es sich um Zuläufe für die Seen handeln könnte, während andere eindeutig in Vertiefungen im Gelände liegen und damit Kraterseen oder Vulkankesseln auf der Erde ähneln. Die Forscher vermuten, dass diese Vertiefungen hauptsächlich während des Titanwinters mit Flüssigkeit gefüllt sind und im Sommer ganz oder teilweise austrocknen.
Die Existenz von Seen aus flüssigem
Methan auf dem Saturnmond galt schon vor der
Cassini-Mission als sehr wahrscheinlich. Überraschenderweise konnten die Daten der Raumsonde diese These jedoch nicht untermauern ? bis jetzt: Die aktuellen Aufnahmen stammen vom 22. Juli vergangenen Jahres und zeigen einen Bereich der Nordhalbkugel oberhalb von 70 Grad nördlicher Breite. Zu sehen sind darauf 75 runde und unregelmäßig geformte Regionen mit Durchmessern zwischen 3 und 70 Kilometern, die auf den Radarbildern deutlich dunkler erscheinen als ihre Umgebung. Demnach müssen diese Bereiche Material enthalten, das einen ungewöhnlich geringen Anteil der auftreffenden elektromagnetischen Wellen zurückwirft ? eine Eigenschaft, die typisch für extrem glatte Oberflächen wie die von Flüssigkeiten, Eis oder glatten Felsen ist.
Die Vermutung, dass es sich bei diesen dunklen Flecken tatsächlich um flüssigkeitsgefüllte Vertiefungen handelt, wird durch ihre große Ähnlichkeit mit Seen auf der Erde gestützt, schreiben die Forscher. So sind bei einigen der besonders runden dunklen Regionen steile, gut erkennbare Ränder zu sehen, die denen von Vulkankratern gleichen. Andere ähneln mit ihren zerfransten, kanaldurchzogenen Randbereichen überfluteten Flussläufen und -deltas. Zusätzlich konnten die Wissenschaftler einige Vertiefungen ausmachen, die momentan anscheinend nur teilweise mit Flüssigkeit gefüllt oder sogar leer sind.
Die Seen zeigen nach Ansicht der Forscher, dass es auf Titan tatsächlich einen Niederschlagszyklus gibt: Methan, einer der Hauptbestandteile der Titanatmosphäre, kondensiert während des auch aktuell herrschenden Winters, fällt als Niederschlag auf die Oberfläche, sammelt sich dort in Senken an und verdunstet wieder, um erneut als Niederschlag zu fallen. Im Titansommer verstärkt sich diese Verdunstung, so dass die Seen schrumpfen oder sogar austrocknen. Als nächstes wollen die Wissenschaftler nun die genaue Zusammensetzung, die Tiefe und die Entstehungsgeschichte der Seen untersuchen und beobachten, ob sie sich mit der Zeit verändern.
Ellen Stofan (University College, London) et al.: Nature, Bd. 445, S. 61 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel