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Planetare Säuglinge

Astronomie|Physik

Planetare Säuglinge
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Der junge Stern V830 TAu mit seinem neugeborenen Begleiter, dem heißen Jupiter V830 Tau b. (Grafik: Mark A. Garlick)
Die meisten bisher entdeckten Exoplaneten sind bereits in gesetztem mittleren Alter. Jetzt jedoch haben Astronomen gleich zwei planetare Säuglinge aufgespürt, darunter einen mit noch vorhandenen Resten der Urwolke. Einer der Planeten ist etwas größer als der Neptun, der andere knapp jupitergroß. Beide jedoch umkreisen ihre Sterne auf sehr engen Orbits – ein Hinweis darauf, dass solche Gasriesen entweder näher an ihren Sonnen entstehen als bisher gedacht oder dass sie außergewöhnlich schnell nach innen wandern.

Rund 2000 Planeten um fremde Sonnen haben Astronomen bisher im Weltraum aufgespürt. Die meisten von ihnen sind bereits einige Milliarden Jahre alt und damit ähnlich „mittelalt“ wie unsere Erde. Unter diesen Exoplaneten sind auffällig viele heiße Jupiter – Gasriesen, die ihren Stern hundertmal näher umkreisen als unser Jupiter die Sonne. Sie benötigen meist nur wenige Tage für einen Umlauf und sind durch die Nähe zum Stern stark aufgeheizt. Wie und vor allem wo diese Planeten entstehen, ist bisher unklar. „Einige Theorien gehen davon aus, dass eine Bildung vor Ort so nah an ihren Zentralsternen unwahrscheinlich ist“, erklären Trevor David. „Die Existenz dieser Planeten muss daher ein Beleg für eine großräumige Wanderung sein.“ Dieser gängigen Theorie nach entstehen große Gasplaneten in den Außenbereichen der Urwolke um einen Stern und bewegen sich dann einwärts, um näher am Stern einen neuen Orbit zu finden. Auch unser Jupiter soll im Laufe seiner Geschichte durch unser Sonnensystem gewandert sein. Unbekannt blieb aber bisher, ob diese Wanderung schon sehr früh stattfindet, solange die Urwolke noch existiert, oder aber erst später, nachdem sich die Staub- und Gasscheibe um den jungen Stern bereits aufgelöst hat.

„Frisch gebackener“ heißer Jupiter

Eine Antwort darauf könnten nun die zwei neuentdeckten Exoplaneten geben. Denn beide sind erst wenige Millionen Jahre alt, gehören zu den großen Gasplaneten und umkreisen ihre Sterne dennoch bereits in extremer Nähe. Bei dem ersten planetaren „Säugling“ handelt es sich um einen rund 430 Lichtjahre von uns entfernten heißen Jupiter. Der Planet ist knapp 80 Prozent so groß wie unser Jupiter und umkreist den erst rund zwei Millionen Jahre alten sonnenähnlichen Stern V830 Tau. Nach kosmischen Maßstäben entspricht der Planet damit quasi einem planetaren Säugling. Wie Jean-François Donati vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Toulouse und seine Kollegen berichten, hat der junge Stern gerade erst seine Urwolke verloren. Noch spannender aber: Der Planet V830 Tau b umkreist diesen Stern in nur 0,057 astronomischen Einheiten Entfernung und benötigt für einen Umlauf nur knapp fünf Tage.

„Unsere Entdeckung enthüllt, dass ein Gasriese nicht nur sehr schnell entstehen kann, sondern dass er auch schon sehr bald nach der Geburt seines Sterns in dessen unmittelbarer Nähe auftauchen kann“, erklärt Koautorin Elodie Hébrard von der University of York. „Heiße Jupiter können offenbar innerhalb von weniger als zwei Millionen Jahren nach innen wandern.“ Das aber wirft auch ein neues Licht darauf, was die jungen Gasriesen aus ihrer ursprünglichen Geburtsregion vertreibt: Nach Ansicht der Astronomen spricht ihr neuer Fund dafür, dass nicht die Wechselwirkung mit anderen Planeten oder gar Kollisionen die jungen Riesen aus ihrer Bahn bringen, sondern eher frühe Prozesse innerhalb der Urwolke. Demnach könnten die Gasriesen schon vor Fertigstellung der Planeten nach innen wandern. Dafür spreche auch die nahezu kreisförmige Bahn von V830 Tau b, erklären die Forscher. Denn bei einer Planetenkollision seien meist deutlich exzentrische Orbits die Folge. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die Architektur von Planetensystemen wahrscheinlich schon von den frühesten Stadien der Planetenbildung an hochdynamisch ist“, konstatieren die Astronomen.

Super-Neptun mit Geburtsschleier

Zu ähnlichen Schlüssen kommen Trevor David vom California Institute of Technology in Pasadena und seine Kollegen auf Basis ihrer Planeten-Entdeckung. Sie haben einen weiteren jungen Gasriesen rund 500 Lichtjahre von der Erde entfernt aufgespürt. Der Planet K2-33b umkreist seinen fünf bis zehn Millionen Jahre alten Stern in rund 0,04 astronomischen Einheiten Entfernung – das ist rund ein Zwanzigstel des Abstands Sonne-Erde. Für einen Umlauf benötigt er daher ebenfalls nur rund fünf Tage. Mit einer Masse von etwa der des Neptun und der rund eineinhalbfachen Größe ist der Exoplanet K2-33b ein Gasriese – und auch er ist für sein junges Alter seinem Stern schon ungewöhnlich nah, wie die Forscher betonen. Noch spannender aber ist eine weitere Beobachtung, die die Astronomen mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA machten: Der Stern besitzt noch einen Teil seiner Urwolke, einen feinen, kalten Staubschleier, der weit außerhalb des Orbits von K2-33b einen Ring bildet. Das spreche dafür, dass sich bisher nur die inneren Bereiche der früheren protoplanetaren Scheibe aufgelöst haben. „Es ist extrem selten, einen Planeten in diesem frühen Stadium seiner Kindheit zu finden“, sagt Koautor Sasha Hinkley von der University of Exeter. „Der Fund liefert uns einen außergewöhnlichen Schnappschuss der Planetenbildung.“

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Ähnlich wie beim heißen Jupiter V830 Tau b weckt auch K2-33 b die Frage, wie und wann der junge Gasriese in so große Nähe zu seiner Sonne kam. Nach Ansicht der Astrononen kommen dafür nur zwei Szenarien in Frage: Entweder K2-33b bildete sich vor Ort und war damit schon von Anfang an seinem Stern so nahe. Das allerdings würde der gängigen Theorie der Bildung solcher Gasriesen widersprechen. Oder aber der Exoplanet entstand weiter außen und wanderte dann nach innen, noch bevor sich die Urwolke aufgelöst hatte. Beide Neuentdeckungen deuten damit in die gleiche Richtung – eine sehr frühe Wanderung von Planeten und ein ziemlich dynamisches Geschehen in der Urwolke.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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