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Wie Charon seine rote Kappe bekam

Astronomie|Physik

Wie Charon seine rote Kappe bekam
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Auffallend errötet: Blick auf die Nioórdpolarregion des PLutomonds Charon (Foto: NASA/JHUAPL/SwRI)
Der Plutomond Charon ist am Nordpol auffallend rötlich gefärbt. Woraus diese Kappe besteht und wie sie entstanden sein könnte, haben nun Forscher mit Hilfe von Daten der NASA-Raumsonde New Horizons und Simulationen rekonstruiert. Dabei zeigt sich: Das Rohmaterial für diesen Farbschmuck bekommt Charon aus der Plutoatmosphäre. Sein 100 Jahre dauernder Winter und ein wenig energiereiche Strahlung aus dem All sorgen dann dafür, dass aus diesen Bausteinen rötliche gefärbte organische Verbindungen entstehen.

Pluto und sein größter Mond Charon bilden ein Ausnahme-Duo im Sonnensystem. Denn sie gleichen weniger einem Planet-Mond-Gespann als vielmehr einem Doppelplaneten. Pluto ist nur rund doppelt so groß wie sein Trabant und beide liegen nur rund 17.000 Kilometer auseinander. Unter anderem deswegen kehren sich beide stets die gleiche Seite zu – dies ist der bisher einzige Fall einer doppelt gebundenen Rotation im Sonnensystem. Während Pluto eher unregelmäßig gefärbt ist, bietet Charon einen ziemlich markanten Anblick: Seine größtenteils helle Oberfläche trägt am Nordpol eine auffallend rötliche Kappe. Aufgrund der rötlichen Färbung dieser Polarregion vermuten Planetenforscher schon länger, dass es sich bei dieser Schicht um Tholine handelt – rötlich gefärbte organische Verbindungen, wie sie beispielsweise auch im rötlichen Schleier der Titan-Atmosphäre vorkommen. Tholine bilden sich, wenn das UV-Licht der Sonne oder anderer energiereiche Strahlung Stickstoff und Methan zerfallen lässt. Die Abbauprodukte reagieren miteinander und bilden größere, rußähnliche Makromoleküle. Aus Daten der NASA-Raumsonde New Horizons weiß man, dass der Zwergplanet Pluto genügend Methan und Stickstoff sowohl in seiner Atmosphäre als auch im Eis seiner Oberfläche besitzt, um solche Tholine zu bilden. Sie sind für einige rötliche Stellen auf seiner Oberfläche verantwortlich.

Anders ist es jedoch beim Plutomond Charon: Auf ihm gibt es eigentlich nicht genügend Stickstoff und Methan, um Tholine entstehen zu lassen. Denn seine Oberfläche besteht vorwiegend aus Wassereis und er besitzt keine Atmosphäre. Schon seit längerem vermuten Planetenforscher daher, dass der Mond das Ausgangsmaterial für diese Verbindungen von außen bekommt – von seinem Begleiter Pluto. Die Hypothese: Methan und Stickstoff entweichen aus der dünnen, aber ausgedehnten Atmosphäre des Zwergplaneten und schlagen sich in der Nordpolarregion des Charon nieder. Bisher allerdings blieb unklar, ob die Bedingungen am Nordpol des Charon überhaupt die Bildung von Tholinen erlauben – und ob genügend Rohmaterial von Pluto dort ankommt. Diese Fragen haben nun Will Grundy vom Lowell Observatory in Flagstaff und seine Kollegen anhand neuer Daten der Raumsonde New Horizons und mit Hilfe von Modellsimulationen untersucht.

100 Jahre Winter

Ihre Auswertungen ergaben: Im Prinzip gelangen genügend Methan und Stickstoff von Pluto zu Charon, um als Rohstoff für die rötlichen Tholin-Ablagerungen zu dienen. Den Berechnungen der Forscher nach kommen pro Sekunde und Quadratmeter 27 Milliarden Methanmoleküle am Plutomond an. Die nächste Frage ist, ob es auf dem Mond kalt genug ist, damit diese Gase ausfrieren. Das scheint der Fall zu sein: „Charons Nordpol hat mehr als ein Jahrhundert dauerhaft niedrige Temperaturen erlebt, vom späten 19. Jahrhundert bis 1989“, erklären Grundy und seine Kollegen. Während des jeweils rund 100 Jahre dauernden Winters sei es kalt genug für eine Ablagerung dieser Gase. Doch das ist noch nicht alles: „Für unsere Hypothese muss dieses saisonal eingefangene Methan nun durch energiereiche Strahlung weiterverarbeitet werden“, so die Forscher. Das aber kann nur durch Bestrahlung im Winter erfolgen – sonst wäre es zu warm. Wie die Wissenschaftler ermittelten, trifft jedoch selbst dann, wenn der Charon-Nordpol im Schatten liegt, genügend Streustrahlung auf seine Oberfläche, um dort photokatalytische Reaktionen in Gang zu bringen. Bei diesen bilden sich erste komplexere Kohlenwasserstoffe.

„Wenn dann der Winterpol wieder in die Sonne kommt, sublimieren Stickstoff und Methan schnell wieder, aber diese schwereren, weniger leicht flüchtigen Moleküle bleiben zurück“, so Grundy und seine Kollegen. Pro Winter könnten diese Substanzen eine Schicht von 40 Nanometern Dicke erreichen. Durch die nun stärker werdende Sonneneinstrahlung und im Speziellen die UV-Strahlung, wandeln sich diese Kohlenwasserstoffe in rötliche Tholine um. Im Laufe mehrerer Milliarden Jahre könnte sich so eine rund 30 Zentimeter dicke Tholinschicht am Charon-Nordpol gebildet haben – für uns zu erkennen an der roten Kappe des Plutomonds.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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