Der mit einem Durchmesser von etwa 500 Kilometern sechstgrößte Saturnmond ist in den letzten Jahren immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. 2005 zeigten Beobachtungen der Raumsonde Cassini, dass aus dem Südpol von Enceladus Eisfontänen austreten. Diese Jets stammen aus den sogenannten „Tigerstreifen“ – vier warmen Rissen auf der eisigen Oberfläche des Mondes. Seit diesen Entdeckungen haben weitere Beobachtungen bestätigt: Enceladus besitzt offenbar einen Ozean aus flüssigem Wasser unter seinem Eispanzer, der auf dem felsigen Kern des Mondes aufliegt. Ähnliches vermuten Astronomen bereits seit längerem unter der Kruste des Jupitermonds Europa.
Temperaturen im Blick
Die Ergebnisse der aktuellen Studie basieren auf Daten eines Vorbeifluges von Cassini im Jahr 2011, die von Forschern um Alice Le Gall von der Université Versailles Saint-Quentin ausgewertet wurden. Bei dem untersuchten Gebiet handelt es sich um einen etwa 500 Kilometer langen und 25 Kilometer breiten Bereich in der südlichen Polarregion. „Wir haben die ersten hochauflösenden Beobachtungen von Enceladus‘ Südpol im Mikrowellen-Bereich erhalten“, sagt Le Gall. „Diese Beobachtungen haben uns einen einzigartigen Einblick darin ermöglicht, was unter der Oberfläche vor sich geht“.
Das Untersuchungsgebiet liegt etwa 30 bis 50 Kilometer nördlich der bekannten Tigerstreifen. Wegen Einschränkungen beim Vorbeiflug war es leider nicht möglich, diese aktiven Frakturen zu untersuchen, sagen die Forscher. Dies hatte allerdings den Vorteil, dass die Wissenschaftler nun dokumentieren konnten, dass sich die thermischen Anomalien von Enceladus weit über die Tigerstreifen hinaus erstrecken.
Nass in zwei Kilometern Tiefe?
Aus den Daten ging konkret hervor: Im untersuchten Gebiet herrschen nur ein paar Meter unter der Oberfläche Temperaturen von etwa minus 220 Grad Celsius. Das erscheint zwar extrem frostig – es handelt sich aber um etwa 20 Grad mehr als zu erwarten wäre. Das lässt wiederum vermuten: Je tiefer man kommt, desto höher werden auch die Temperaturen – bis sie dann irgendwann flüssiges Wasser ermöglichen. Möglicherweise liegt der Ozean demnach nur etwa zwei Kilometer tief unter dem Eis, sagen die Forscher.
Le Gall und ihre Kollegen vermuten, dass die tiefe Heizquelle auf den Gezeiten-Zyklus des Mondes entlang seiner exzentrischen Umlaufbahn um den Saturn zurückzuführen ist. Es entstehen dadurch Belastungskompressionen und Verformungen der Kruste, was zur Bildung von Rissen führt, während gleichzeitig die unteren Schichten aufgeheizt werden. Vermutlich ist der Südpolbereich dabei einer besonders großen Gezeitenverformung ausgesetzt, so dass hier die Eiskruste vergleichsweise dünn ist, erklären die Forscher.
„Die Entdeckungen eröffnen nun neue Perspektiven bei der Erforschung von möglicherweise lebensfreundlichen Bedingungen auf den eisigen Monden der Gasriesen“, sagt Co-Autor Nicolas Altobelli. Vor allem Erkundungsmöglichkeiten zeichnen sich nun ab: „Wenn das verborgene Meer von Enceladus wirklich so nah an der Oberfläche ist, dann könnte eine zukünftige Mission es mit einem Eis-durchdringenden Radar erkunden“, so der Astronom.