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Die Deutschen und außerirdische Zivilisationen

Astronomie|Physik

Die Deutschen und außerirdische Zivilisationen
37,8 Prozent der Menschen in Deutschland denken, dass es extraterrestrische Intelligenzen gibt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die bild der wissenschaft beim Meinungsforschungsinstitut Emnid in Auftrag gegeben und in der Juli-Ausgabe publiziert hat. Von der Existenz der Fremden überzeugt sind besonders Männer, jüngere Menschen, Personen mit mittlerer und höherer Bildung, aus Großstädten und im Südwesten der Republik. Einen Kontakt noch in diesem Jahrhundert erwarten vor allem Männer, Schüler und Mittdreißiger, Menschen mit höherem Bildungsabschluss und mittlerem Einkommen – sowie Berliner.

Ob es außerirdische Intelligenzen gibt, ist unbekannt. Trotzdem diskutieren Menschen leidenschaftlich und kontrovers über diese Frage – bereits seit Jahrtausenden, teils im religiösen Zusammenhang, teils im philosophischen und wissenschaftlichen. Der Philosoph Immanuel Kant beispielsweise war fest davon überzeugt, dass unsere Nachbarplaneten im Sonnensystem bewohnt seien und die Intelligenz unserer Brüder im All mit wachsender Sonnendistanz zunimmt. Der Biochemiker Christian De Duve hielt Leben für eine „kosmische Zwangsläufigkeit“, der Molekularbiologe Jacques Monod hingegen, ebenfalls Nobelpreis-Träger, meinte, der Mensch sei „in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Alls allein“.

Doch wie denken die Menschen heute über dieses Thema? Um hier eine Überzeugung zu haben, braucht man kein Wissenschaftler oder Philosoph zu sein. bild der wissenschaft ließ in einer repräsentativen bundesweiten Umfrage das Meinungsspektrum ermitteln – und hat es mit früheren Erhebungen verglichen. Die neuesten Daten bergen manche Überraschung.

Die Mehrheit ist skeptisch

Von der Existenz außerirdischer Intelligenzen irgendwo im Universum überzeugt sind 37,8 Prozent der Deutschen. 54,7 Prozent denken hingegen, dass es nur auf der Erde intelligente Lebensformen gibt. 7,5 Prozent hatten keine Meinung oder wollten sie nicht sagen. Das ergab eine Emnid-Umfrage unter 1003 Personen.

Signifikante Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland (828 beziehungsweise 175 Befragte) gibt es nicht, wohl aber im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Schulbildung, Einkommen und Wohnort.

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Viel mehr Männer als Frauen denken, dass extraterrestrische Intelligenzen existieren: 46,5 gegenüber 29,5 Prozent. Es gibt auch gravierende Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Befragten: Während unter den 14- bis 29-Jährigen 46,5 Prozent an Außerirdische „glauben“, tun das nur etwas mehr als 30 Prozent über 50 Jahre. Besonders unschlüssig sind sich die 30- bis 39-Jährigen (14,3 Prozent), während nicht einmal 4 Prozent der jüngeren und der 50- bis 59-Jährigen mit „weiß nicht“ antworteten oder keine Angaben machten.

Fast 43 Prozent der „Ja-Sager“ haben einen mittleren Bildungsabschluss, Abitur oder ein Studium – verglichen mit 27,4 Prozent der Volks- oder Hauptschulabgänger (36,5 Prozent der Befragten). Daher überrascht es nicht, dass Menschen mit höherem Einkommen eher an die Existenz Außerirdischer glauben: über 40 Prozent ab 2000 Euro netto im Monat, unter den Spitzenverdienern mit mehr als 3500 Euro sogar fast 46 Prozent, unter den Geringverdienern mit weniger als 1000 Euro dagegen nicht einmal 27 Prozent. 559 der 1003 Befragten, also 55,8 Prozent, sind berufstätig (oder nur vorübergehend arbeitslos), und von ihnen denken 40,3 Prozent, dass es außerirdische Intelligenzen gibt. Unter den nicht Berufstätigen sind es nur 34,7 Prozent.


Gut ein Drittel aller Deutschen ist der Meinung, dass es anderswo im Universum intelligente Lebewesen gibt. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag von bild der wissenschaft. (bdw-Grafik; Illustration: adike/Shutterstock.com)

Nach dem Wohnort lassen sich die Daten ebenfalls analysieren. 35,6 Prozent der Befragten leben in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern, und darunter sind die meisten „Ja-Sager“ (43,1 Prozent). In den vier anderen von Emnid unterschiedenen „Regionsgrößenklassen“ zwischen weniger als 5000 und unter 500.000 Einwohnern gibt es keine klare Zuordnung. Hier meinen gut 32 bis knapp 38 Prozent, dass Außerirdische existieren.

Signifikant sind jedoch geografische Unterschiede. Zwar schwanken die Prozentzahlen der Befürworter in den meisten Regionen nur gering – zwischen 36 und 40 Prozent. Doch es gibt zwei Ausreißer: In Norddeutschland (Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen) sind es nur 29,1 Prozent (und ein Spitzenwert von 11,0 Prozent „ohne Angabe“), in Baden-Württemberg dagegen 44,9 Prozent (nur 3,4 Prozent „ohne Angabe“). In Bayern sind es 37,5 Prozent. Damit ist der Südwesten der Republik, in dem übrigens auch die meisten Leser von bild der wissenschaft leben, potenziellen Mitbewohnern im Weltraum gegenüber besonders aufgeschlossen.

Jeder vierte Schüler glaubt an baldigen Erstkontakt

bdw wollte nicht nur wissen, wie viele Deutsche meinen, dass intelligente außerirdische Lebensformen existieren, sondern auch, für wie wahrscheinlich sie es halten, dass noch in diesem Jahrhundert der Erstkontakt stattfindet. Hier überwiegt die Skepsis bei Weitem – auch unter jenen, die die erste Frage bejaht haben. Die „Nein-Sager“ schließen einen Kontakt logischerweise ohnehin von vornherein aus.

Nur 1,5 Prozent der 1003 Befragten sind sich sicher, dass es bis zum Jahr 2100 zu einem Kontakt kommt (0,8 Prozent im Westen, 4,5 Prozent im Osten), und 11,3 Prozent halten es für wahrscheinlich (11,9 im Westen, 8,6 im Osten). 44,3 Prozent sehen es dagegen als unwahrscheinlich an. 39,6 Prozent meinen, dass es keinesfalls eine Kontaktaufnahme geben wird. 3,3 Prozent machten keine Angabe. Kurzum: Eine klare Mehrheit von 83,9 Prozent votiert für „unwahrscheinlich“ und „keinesfalls“. Bei den Männern sind es 80,8, bei den Frauen 86,8 Prozent.

Die geografischen Unterschiede bei der ersten Befragung haben keine offensichtliche Entsprechung bei der zweiten. So sind die Bewohner von Baden-Württemberg – wo bundesweit die meisten Menschen leben, die meinen, es gäbe extraterrestrische Intelligenzen – sogar zusammen mit denen nördlicher Gebiete Ostdeutschlands am skeptischsten: 86 Prozent halten einen Kontakt für nicht wahrscheinlich oder ausgeschlossen. Für sicher oder wahrscheinlich erachten ihn nirgends mehr als 12,7 Prozent – mit zwei Ausnahmen: 15,9 Prozent in Bayern und sogar 21,8 Prozent in Berlin (wo 36 Prozent die Existenz von Extraterrestriern bejahen). Vielleicht liegt in der Hauptstadt der Gedanke einfach näher, dass der Galaktische Club dort eine Botschaft errichten muss.


Dass Außerirdische Zivilisationen noch in diesem Jahrhundert entdeckt werden oder sich selbst bemerkbar machen, denkt nicht einmal ein Fünftel der Deutschen. (bdw-Grafik; Illustration: Sciene Photo Library/V. de Schwanberg)

Früher meinten mehr Menschen, dass es außerirdische Zivilisationen gibt. Vor gut 15 Jahren wollte bild der wissenschaft schon einmal wissen: „Glauben Sie, dass es außerhalb der Erde noch weitere intelligente Lebewesen gibt?“ Bei dieser ebenfalls von Emnid gemachten repräsentativen Umfrage antworteten 49,7 Prozent mit „ja“, also die Hälfte aller Befragten. 43,4 Prozent waren negativer Meinung, 6,9 Prozent machten keine Angabe.

Auch in anderen Ländern gab es ähnliche Umfragen mit einer hohen Zahl von Befürwortern. 1997 war dem Time Magazine zufolge ein Drittel der Menschen in den USA sogar davon überzeugt, Außerirdische hätten bereits die Erde besucht. Ein Jahr später berichtete die Planetary Society, 60 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung meinten, dass fremde Zivilisationen existieren. Und eine repräsentative Online-Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov in Deutschland, Großbritannien und den USA ergab 2015, dass zu dieser Zeit jeweils mehr als die Hälfte der Befragten an die Existenz von intelligenten Lebensformen glaubte. Die Datenbasis war allerdings geringer.

Kritischer und weniger religiös?

Warum in den letzten Jahren die Einstellung gegenüber fremden Existenzen im All signifikant kritischer wurde, ist unklar – und lässt somit Raum für Spekulationen. Wahrscheinlich sind einige Menschen im Zeitalter der alternativen Fakten, Filterblasen, Fake News, Lügenpresse und wild grassierenden Verschwörungstheorien kritischer geworden. Denn die Frage nach Außerirdischen – auch wenn das nicht gemeint war –, mag bei manchem irrationale Vorstellungen von Unbekannten Flugobjekten und aberwitzigen Geheimhaltungen oder von esoterischen Geistwesen hervorraufen – ein Grund, die Existenz Außerirdischer abzulehnen.

Auch war die neue bdw-Frage absichtlich etwas „säkularer“ formuliert als bei anderen Umfragen („meinen“ statt „glauben“). Wer religiös ist und beispielsweise Engel als Über- und Außerirdische interpretiert – theologisch durchaus korrekt –, wird eher an Extraterrestrier „glauben“, als Menschen, die „nur“ an andere, durch Evolution entstandene Lebewesen denken und nicht abschätzen können, wie unwahrscheinlich die Entstehung von Ein- und Vielzellern und erst recht von Intelligenz ist.

Dass weniger Gebildete eher skeptisch sind, mag daran liegen, dass sie wohl oft unzutreffende Vorstellungen von der Größe und Beschaffenheit des Weltalls haben. Jüngere Menschen – und eher Männer als Frauen – sind Wissenschaft und Technik oft aufgeschlossener, ebenso ungewöhnlichen Vorstellungen und der Science Fiction. Diese Erklärungsversuche sind spekulativ. Doch ähnliche Umfragen, auch in anderen Ländern, kamen zu vergleichbaren Resultaten.

Unsere Einsamkeit wäre bizarr

Selbstverständlich sagen die Meinungsumfragen nichts darüber aus, ob es fremde Zivilisationen im All gibt oder nicht. Da hilft nur empirische Forschung. Einen Nichtexistenz-Beweis kann man nicht führen. Also müssen zumindest indirekte Indizien gefunden werden. Andernfalls bleibt das Rätsel ungelöst. An astronomischen Suchprogrammen (SETI, Search for Extraterrestrial Intelligence) führt kein Weg vorbei.

Neben der Frage, ob Außerirdische existieren, wäre es auch hochinteressant zu wissen, wo und wann und wie häufig sie im All vorkommen. Werden sich Hinweise sogar hier im Sonnensystem finden lassen? Oder Radiosignale von Planeten bei unseren Nachbarsternen? Oder irgendwo anders in der 100.000 Lichtjahre großen Milchstraße mit ihren über 100 Milliarden Sonnen? Oder gibt es fremde Zivilisationen wenigstens in einigen anderen – oder doch beinahe allen? – der fast 100 Milliarden Galaxien im beobachtbaren Universum?

Falls der Weltraum unendlich ist und überall dieselben Naturgesetze gelten, ist die Existenz von Außerirdischen sogar zwingend notwendig – mehr noch: Es gäbe unendlich viele Doppelgänger von jedem von uns, und zwar in allen möglichen Varianten. Riesig ist der Weltraum auf alle Fälle: Über 90 Milliarden Lichtjahre im Durchmesser können wir einsehen. Es wäre bizarr, wenn wir menschliche Sturköpfe auf einem staubigen Brocken in einer entlegenen Gegend einer durchschnittlichen Spiralgalaxie einzigartig wären.

Zum Autor: Rüdiger Vaas hat die Emnid-Umfrage ausgewertet. Er ist Astronomie- und Physik-Redakteur bei bdw und Autor mehrerer Bücher, zuletzt Jenseits von Einsteins Universum und Einfach Hawking!

 

bild der wissenschaft 07/17

Weitere Zahlen zu den Umfrage-Ergebnissen und deren Analyse lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 7/2017 von bild der wissenschaft , die ab dem 20. Juni 2017 am Kiosk ist. Außerdem berichtet die Titelgeschichte des neuen Hefts ausführlich über den aktuellen Forschungsstand zur Suche nach fremden Zivilisationen. Astronomen haben bereits einige Tausend Planeten bei anderen Sternen entdeckt und fahnden jetzt so effizient wie nie zuvor nach belebten Welten und verräterischen Indizien für die Existenz anderer technischer Superzivilisationen.

Die neuen Ergebnisse sind irritierend! Soziologen machen sich auch bereits Gedanken, welche Auswirkungen eine Botschaft der Außerirdischen oder gar eine Begegnung mit ihnen hätte. Fest steht: Unsere Fantasie dürfte nicht ausreichen, um die Folgen eines Erstkontakts vorwegzunehmen.

© wissenschaft.de – Rüdiger Vaas
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