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Satellitenblick auf den Tscheljabinsk-Meteoriten

Astronomie|Physik

Satellitenblick auf den Tscheljabinsk-Meteoriten
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Infrarotaufnahme der Meteoritenspur vom Wettersatelliten Meteosat-9 (MIller et al., National Academy of Sciences)
Die Gefahr von Meteoriteneinschlägen ist real – das zeigte zuletzt die Explosion des Tscheljabinsk-Meteoriten am 15. Februar 2013 über Russland. Umso wichtiger ist es, über die kosmischen Boliden und ihre Herkunft so viel wie möglich zu erfahren. Bisher aber gab es ein Problem: Fehlten Videos oder Beobachtungsdaten vom Boden aus, ließ sich die Flugbahn der Meteoriten nur ungenau ermitteln. Jetzt haben US-Forscher die Aufnahmen ausgewertet, die Satelliten zufällig vom Absturz des Tscheljabinsk-Meteoriten gemacht haben. Dabei zeigte sich: Die Daten weichen zwar enorm voneinander ab, aber dennoch lässt sich auch daraus die genaue Flugbahn errechnen.

Sternschnuppen und Meteore bieten ein prachtvolles Himmelsschauspiel. Dringt allerdings ein größerer Brocken in die Atmosphäre der Erde ein, sind die Folgen dramatisch. Das zeigte auch die Explosion des Meteorit, der am 15. Februar  2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte. Dabei wurde die Energie von 100 bis 500 Kilotonnen TNT freigesetzt, Gesteinstrümmer regneten auf die Stadt und Umgebung hinab, zerstörten Gebäude und verletzten hunderte von Menschen. „In seiner Wirkung erinnerte der Meteorit an das Tunguska-Ereignis im Juni 1908“, erklären Steven Miller von der Colorado State University und seine Kollegen. Der aus Gestein bestehende 50-Meter-Brocken explodierte ebenfalls in der Luft und löste dabei eine Schockwelle aus, die 2.200 Quadratkilometer Wald der sibirischen Taiga umfegte.

Glückliche Zufälle und extreme Abweichungen

Solche Ereignisse waren zwar in der menschlichen Geschichte bisher selten, sie erinnern aber daran, dass die Gefahr eines kosmischen Treffers durchaus real ist, wie die Forscher erklären. Deshalb sei es wichtig, möglichst genau zu wissen, welche Flugbahn ein solcher Bolide hatte und wo er herkam. Denn das helfe dabei, die Wahrscheinlichkeit künftiger Einschläge abzuschätzen. Im Falle des Tscheljabinsk-Meteoriten ließ sich aus Videoaufnahmen vom Boden aus rekonstruieren, dass der Brocken in einem flachen Winkel in die Atmosphäre eintrat und mit rund 18 Kilometern pro Sekunde in Richtung Westen raste. Auch einige Fernerkundungs-Satelliten zeichneten die Gas- und Staubspur des Meteoriten auf, darunter einige geostationäre Wettersatelliten verschiedener Länder, aber auch ein in einer Bahn über die Pole kreisender militärischer Wettersatellit der USA.  Durch einen glücklichen Zufall machte er nur wenige Minuten nach der Explosion des Meteors eine Aufnahme, auf der der Staubschweif des Boliden zu erkennen war.

Diese Satellitenbilder liefern wertvolle Zusatzinformationen über die Flugbahn eines solchen Objekts, weil sie ihn von oben oder schräg von der Seite sehen, nicht von unten wie irdische Beobachter. Zudem tasten sie ihr Gesichtsfeld meist in mehr als nur den sichtbaren Wellenlängen des Lichts ab. Doch für die Flugbahn des Tscheljabinsk-Meteoriten sorgten ihre Daten bisher mehr für Verwirrung als für Aufklärung: Denn die in ihren Aufnahmen aufgezeichneten Flugbahnen wichen extrem voneinander ab. Unter allen Satellitenaufzeichnungen gab es keine zwei, die in punkto Position, Höhe oder Flugbahn übereinstimmten. „Die Abweichung ist teilweise so groß, dass die Bahnen von unterschiedlichen Ereignissen zu kommen scheinen“, berichten die Forscher.

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Verschobene Perspektive

In ihrer Studie nahmen sich Miller und seine Kollegen diese Satellitenaufnahmen noch einmal vor und untersuchten, wie diese Abweichungen zustande kommen. Dabei prüften sie auch, ob und wie sich aus der Kombination aller Aufnahmen vielleicht doch die tatsächliche Bahn des Meteoriten ermitteln lässt. Wie sich zeigte, liegt der Uneinigkeit der Satelliten ein simpler optischer Effekt zugrunde: „Wenn Objekte vor einem weiter hinten liegenden Hintergrund aus einer schrägen Perspektive angeschaut werden, erscheinen sie versetzt“, erklären die Forscher. Dieser sogenannte Parallaxen-Effekt lässt sich auf einfache Weise nachvollziehen: Hält man seinen Daumen vor das Gesicht und kneift dann erst eines, dann das andere Auge zu, scheint der Daumen vor dem Hintergrund hin und her zu springen. Genau dieser Effekt beeinträchtigt auch die Lagebestimmung der Meteoritenflugbahn durch die Satelliten.

Doch das lässt sich korrigieren, wenn man die genaue Höhe, Position und den Blickwinkel der verschiedenen Satelliten kennt. Die Wissenschaftler nutzten diese Informationen, um den verzerrenden Parallaxen-Effekt aus den Daten herauszurechnen. Dadurch konnten sie die tatsächliche Flugbahn des Tscheljabinsk-Meteoriten ermitteln. Er durchquerte die Erdatmosphäre demnach mit einer Neigung von 18,5° und mit einem Azimut von 287,7° – das entspricht in etwa einer Flugrichtung nach West-Nordwest. Wie die Forscher feststellten, raste der Meteorit dabei aber nicht in einer linearen Bahn zur Erde, sondern eher in einer langsamer werdenden Parabel. Diese Ergebnisse stimmen gut mit den Beobachtungen vom Boden aus überein. Noch wichtiger aber: „Sie zeigen, dass Erdbeobachtungs-Satelliten grundsätzlich wertvolle Informationen über die Flugbahn von Meteoren und Meteoriten liefern können – auch dann, wenn es keine oder nur sehr spärliche Beobachtungen vom Boden aus gibt“, so Miller und seine Kollegen. Dadurch lassen sich auch solche Ereignisse verfolgen und erforschen, die über unbewohntem Gebiet stattfinden.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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