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Kollisionsopfer Merkur

Astronomie|Physik

Kollisionsopfer Merkur
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Merkur besteht zu fast drei Vierteln aus einem metallischen Kern (NASA)
Der Merkur gibt Planetenforschern Rätsel auf. Denn der Metallkern des innersten Planeten ist sehr viel größer als er eigentlich sein dürfte. Jetzt haben zwei Wissenschaftler dafür eine ungewöhnliche Erklärung vorgeschlagen: Der Merkur entging in seiner Frühzeit nur knapp einer fatalen Kollision. Ein sehr viel schwererer Protoplanet streifte ihn seitlich und riss dabei einen Großteil seines Gesteinsmantels mit sich. Mit Hilfe einer Simulation demonstrieren die Forscher, dass der Merkur einen oder sogar mehrere solcher Streifschüsse überstanden haben könnte. Nach Ansicht der Forscher könnten auch andere metallreiche Himmelskörper im Sonnensystem – beispielsweise Asteroiden – aus solchen Kollisionen hervorgegangen sein.

Die Gesteinsplaneten im Sonnensystem sind im Prinzip immer gleich aufgebaut: Sie besitzen einen dichten, eisenhaltigen Kern, der von einem steinigen Mantel aus Magnesium- und Eisensilikaten umgeben ist. Als äußerste Hülle schließt sich daran die Kruste an, die meist aus Silikat-Mineralien mit etwas niedrigeren Schmelzpunkten besteht. Radius und Dichte stehen bei den terrestrischen Planeten zudem im gleichen Verhältnis zueinander, aufgetragen in einem Diagramm ergibt sich fast eine Gerade – normalerweise. Doch der Merkur tanzt aus der Reihe: Er hat nur 40 Prozent der Größe der Erde, mit rund 5,4 Gramm pro Kubikzentimeter aber fast die gleiche Dichte wie sie. Sein metallischer Kern macht damit nahezu drei Viertel seines Volumens aus – sein Kern alleine wäre damit so groß wie der Erdmond. Warum der innerste Planet so ungewöhnlich aufgebaut ist, ist bisher rätselhaft.

Einer Hypothese nach war eine gewaltige Kollision in der Frühzeit des Sonnensystems schuld, ähnlich derjenigen, die einst den Erdmond schuf. Dabei soll ein Protoplanet der halben Merkurgröße den innersten Planet getroffen haben, wodurch dessen Mantel verdampfte. „Aber mit dieser Hypothese gibt es gleich zwei Probleme“, erklären Erik Asphaug und Andreas Reufer von der Arizona State University in Tempe: Wenn der Kollisionspartner zerstört wurde, müssen sich die ins All geschleuderten Gesteinstrümmer im Laufe der Zeit wieder auf dem Planeten niederschlagen haben. Selbst wenn das nur bei einem kleinen Teil der Trümmer der Fall war, passt eine weitere Tatsache nicht ins Bild: Merkurmantel und Kruste enthalten reichlich flüchtige Verbindungen, diese müssten aber beim Verdampfen verlorengegangen sein. Beides spricht nach Ansicht der Forscher gegen eine solche Kollision mit einem kleineren Planetenvorläufer.

Streifschuss durch einen größeren Partner

Auf der Suche nach einer anderen Erklärung haben Asphaug und Reufer sich das umgekehrte Szenario näher angeschaut: Was wäre, wenn der Merkur nicht mit einem kleineren, sondern mit einem größeren Protoplaneten zusammengestoßen wäre? Immerhin existierten in der Urwolke kurz nach der Entstehung des Sonnensystems reichlich große Brocken: „Simulationen der Planetenbildung gehen normalerweise von zehn bis hunderten von mond- bis marsgroßen Protoplaneten aus, die im Laufe von rund 100 Millionen Jahren kollidierten und verschmolzen“, erklären die Forscher. Wäre der junge Merkur nur seitlich streifend von einem solchen Riesenbrocken getroffen worden, könnte dies ihrer Ansicht nach seine seltsame Zusammensetzung erklären. In einer Simulation haben die Wissenschaftler diese Theorie nun überprüft.

Das Szenario könnte sich demnach folgendermaßen abgespielt haben: Kurz nach Entstehung des Sonnensystems gibt es inmitten unzähliger größerer und kleinerer Brocken rund ein Dutzend Protoplaneten. Vor allem im inneren Sonnensystem kommt es dabei immer wieder zu Kollisionen. Meist resultieren sie in einer Verschmelzung beider, wodurch die Protoplaneten allmählich wachsen. Doch der junge Merkur erleidet einen Streifschuss: Ein etwa doppelt bis vierfach so schwerer Protoplanet stößt seitlich mit ihm zusammen. Weil die Geschwindigkeit dabei relativ gering ist, überstehen beide Partner die Kollision. Der größere Protoplanet aber reißt beim Vorbeischrammen einen Großteil der Kruste und des Mantels von Merkur mit sich. Übrig bleibt ein innerster Planet, der nur noch eine relativ dünne Gesteinsschicht über seinem Metallkern trägt.

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Dass der kleinere Partner solche Streifschüsse oft übersteht, zeigen nach Ansicht der Forscher auch die vielen eisenreichen Asteroiden und Planetoiden im Sonnensystem. Denn auch sie könnten durch Kollisionen mit größeren Brocken ihre äußere Gesteinshülle verloren haben.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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