1935, gleich nach dem Abitur, begann die gebürtige Weimarerin eine Ausbildung beim Glaswerk Schott in Jena. Sie fiel rasch durch ihr Engagement und ihr Einfühlungsvermögen in den transparenten Werkstoff auf. Marga Faulstich war zunächst an der Entwicklung dünner Schichten beteiligt, wie sie noch heute zur Entspiegelung von Sonnenbrillengläsern dienen. Parallel zu ihrer wachsenden Expertise für neue optische Gläser vollzog sich ihr Aufstieg im Unternehmen.
„We take the brain“
So war es kein Zufall, dass auch sie zu den Schott-Mitarbeitern in Jena zählte, die auf Befehl der U.S. Army am 25. und 26. Juni 1945 zusammen mit etwas Hausrat auf Lastwagen verladen wurden. Der „Zug der 41 Glasmacher“, wie der Konvoi alsbald hieß, deportierte die kenntnisreichsten Forscher, Entwickler und Facharbeiter sowie deren Familienangehörige in den Einflussbereich der Westalliierten. „We take the brain“, lautete die Absicht der amerikanischen Kommandeure – wir lassen die alte Fabrik, wo sie ist, und schnappen uns stattdessen die Vordenker des Glaswerks Schott. Sie sollen in unserer Zone eine neue Produktionsstätte für optische Gläser aufbauen.
Nach Durchgangsstationen in Heidenheim, Zwiesel, Mitterteich und Landshut zogen die Know-how-Träger mitsamt Laboren und Fertigungslinien ein letztes Mal um: in die Mainzer Neustadt. Im Mai 1952 ging dort das neu errichtete Schott-Hauptwerk in Betrieb. Die Glas-Virtuosin bewies weiterhin ihre Klasse und meldete in den insgesamt 44 Jahren, die sie dem Unternehmen angehörte, rund 40 Patente an. Seit 1995 gehört auch das Jenaer Glaswerk wieder zum Konzern. Und die Amerikaner bekamen, was sie sich erhofft hatten: Seit 1957 liefert Schott Spezialgläser für die meisten amerikanischen Raumfahrtprojekte. Marga Faulstich war die erste weibliche Führungskraft bei Schott Glas.