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Tanz in der Todeszone

Astronomie|Physik

Tanz in der Todeszone
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Die beiden Teleskope auf dem Mauna Kea beobachten das Zentrum der Milchstraße. Die Laserstrahlen sind nötig, um die Verzerrungen durch die Atmosphäre zu beseitigen. © Ethan Tweedie
Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße hat offenbar Gesellschaft: Der Stern S0-102 umrundet das vier Millionen Sonnenmassen schwere Monstrum einmal in 11,5 Jahren. Das ist die kürzeste bekannte Umlaufzeit, wie die Entdecker um den kalifornischen Astronomen Leo Meyer jetzt berichten. Bislang kannten die Astronomen nur einen einzigen Stern, der weniger als 20 Jahre für einen Orbit braucht. Das Forscherteam hofft nun, mithilfe der beiden Sonnen einige Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überprüfen zu können.

Der andere Stern direkt im Zentrum der Galaxis, S0-2, hat eine Umlaufzeit von 16 Jahren. ?Es ist der Tango von S0-102 und S0-2, der uns nun zum ersten Mal die wahre Geometrie von Raum und Zeit in der Nähe eines Schwarzen Lochs enthüllen wird?, ist die Leiterin des Teams, Andrea Ghez, überzeugt. ?Diese Messungen können nicht mit einem einzelnen Stern durchgeführt werden.? Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein besagt, dass große Massen die Raumzeit verkrümmen. Dadurch verlangsamt sich der Fluss der Zeit, und Entfernungen können vergrößert oder verringert werden.

?Heute ist Einstein in jedem iPhone?, sagt Hauptautor Leo Meyer. ?Das GPS würde ohne die Relativitätstheorie nicht funktionieren.? Alle Tests im Sonnensystem hat die Relativitätstheorie bislang glänzend bestanden. Doch in der Nähe eines Schwarzen Lochs ist die Schwerkraft viel stärker als in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Die Forscher wollen nun herausfinden, ob die Relativitätstheorie auch unter diesen Extrembedingungen gültig ist.

Die beiden Sterne S0-102 und S0-2 haben keine runden, sondern elliptische Umlaufbahnen. Wenn sie auf ihrer Bahn den Punkt mit dem kürzesten Abstand zum Schwarzen Loch erreichen, sollten die relativistischen Effekte messbar werden, so die These der Forscher. Der Stern S0-2, der bereits 1995 entdeckt wurde und 15-mal so hell ist wie der jetzt gefundene S0-102, wird diesen Punkt 2018 erreichen. ?Wenn wir die beiden Sterne über einen gesamten Umlauf beobachten, können wir erstmals fundamentale Physik in der Nähe eines Schwarzen Lochs untersuchen?, sagt Ghez. Das Team nutzt dazu das leistungsfähige Keck-Teleskop auf Hawaii. Mit dem Verfahren der adaptiven Optik können die Astronomen störende Verzerrungen durch die Erdatmosphäre ausblenden.

Dass die beiden Sterne in der näheren Nachbarschaft eines Schwarzen Lochs, also quasi in der Todeszone, auf stabilen Bahnen kreisen, ist auf den ersten Blick überraschend. Doch womöglich sind die dunklen Sternenzerstörer weniger gefährlich, als bislang angenommen. Das zeigt eine ebenfalls gerade veröffentlichte Studie von Forschern um Jay Strader von der Michigan State University. Sie entdeckten in der Nähe vom Zentrum des Kugelsternhaufens M22 gleich zwei Schwarze Löcher. Bislang hatten Astronomen angenommen, dass in solchen Sternenhaufen nur ein einziges Schwarzes Loch überleben kann. Denn die bisherigen Forschungsergebnisse hatten nahegelegt, dass in Kugelsternhaufen zwar zahlreiche, wenige Sonnenmassen schwere Schwarze Löcher geboren werden. Im Laufe der Zeit, wenn sie aufgrund ihrer Masse ins Zentrum der Haufen sinken, kommen sie sich jedoch unweigerlich in die Quere, hieß es bislang. Am Ende könne nur ein einziges Schwarzes Loch übrig bleiben ? alle anderen würden entweder ins All geschleudert oder miteinander verschmelzen.

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?Wir haben nach einem Schwarzen Loch in der Mitte des Haufens gesucht, haben aber stattdessen zwei in etwas größerer Entfernung vom Zentrum gefunden?, sagt Co-Autor James Miller-Jones von der Curtin University in Australien. ?Das heißt, dass Theorie und Simulationen verfeinert werden müssen.?

Womöglich verbergen sich in dem Sternenhaufen sogar noch mehr Schwarze Löcher. Da sie nur sichtbar sind, wenn sie gerade Materie verschlingen, könnten noch an die 100 weitere Exemplare in dem Kugelsternhaufen stecken, der zur Milchstraße gehört. Wenn Kugelsternhaufen derart große Mengen von Schwarzen Löchern enthalten, könnten Kollisionen zwischen ihnen weitaus häufiger auftreten als bislang angenommen. Astronomen vermuten, dass bei diesen gigantischen Ereignissen Gravitationswellen freigesetzt werden ? doch nach denen haben Detektoren auf der Erde bislang vergeblich gefahndet.

Leo Meyer (University of California, Los Angeles) et al.: Science, Bd. 338, S. 84 Jay Strader (Michigan State University) et al.: Nature, Bd. 490, S. 71, doi:10.1038/nature11490 © wissenschaft.de – Ute Kehse
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