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Erschwernis für eine zweite Erde

Astronomie|Physik

Erschwernis für eine zweite Erde
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Vertraut, aber kosmisch etwas Besonderes: Unser blauer Planet, aufgenommen von den Apollo-17-Astronauten. (Foto: NASA)
Die Suche nach erdähnlichen Welten bei anderen Sonnen ist in vollem Gang. Doch für die Natur ist es gar nicht so einfach, einen Planeten zu erschaffen, der sich für Leben wie auf der Erde eignet ? selbst wenn seine Masse und Stern-Distanz passen. Andererseits könnten atmosphärische Biosignaturen bei anderen Welten fehlen, die dennoch Leben tragen.

Die Erde ist keineswegs ein kosmischer Allgemeinplatz. Das betonte Helmut Lammer vom Institut für Weltraumwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz gestern auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die in dieser Woche an der Universität Stuttgart stattfindet. Im voll besetzten Hörsaal im Campus Vaihingen unterschied er zunächst zwischen ?habitablen Zonen? ? dem Bereich um einen Stern, in dem prinzipiell flüssiges Wasser und mikroskopisches Leben möglich ist ? und ?Habitaten?: Welten mit komplexeren Lebensformen, von denen wir bislang nur ein einziges Exemplar kennen, die Erde.

Außerdem unterschied Lammer vier Klassen von lebensfreundlichen Welten: erstens erdähnliche Planeten, zweitens Planeten wie Venus und Mars im Sonnensystem, die lebensfreundlich waren oder hätten werden können, es aber nicht (mehr) sind, drittens Eismonde wie Jupiters Trabant Europa, die einen Ozean unter ihrer Oberfläche beherbergen, und viertens Wasserwelten, die keine feste Oberfläche besitzen. Solche Wasserplaneten gibt es wahrscheinlich bei anderen Sternen, doch zweifelsfrei wurde noch keine entdeckt (Gliese 1214b ist aber ein Kandidat). ?Planeten der ersten Klasse sind sicherlich sehr viel seltener als Planeten der anderen drei Klassen?, sagte Lammer.

Es ist nicht nur die Masse eines Planeten und sein Abstand von seinem Stern, der die Eignung für Leben beeinflusst. ?Das sind nur notwendige, keine hinreichende Bedingungen für einen habitablen Planeten?, betonte Lammer. Es gibt also noch mehr Faktoren. Manche hängen von der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Planeten ab. So hat sich die Erde binnen nur 50 Millionen Jahre gebildet. Sie hat aus dem „Urnebel“ viel Wasserstoff angezogen, aber später wieder verloren. Vielleicht bis zur 30-fachen Masse ihrer heutigen Ozeane. Wasserstoff ist ein leichtes Element und dem Sonnenwind deshalb stärker ausgeliefert als schwerere Atome wie Stickstoff.

Woher der Stickstoff in der Erdatmosphäre stammt, ist auch noch unklar. Vielleicht haben ihn mächtige Vulkane ausgestoßen. Ob er sich halten konnte oder aber später nachgeliefert wurde, ist ebenfalls umstritten. Als Stickstoff-Bringer kommen Kometen in Betracht, die in den ersten 700 Millionen Jahren häufig auf die Erde stürzten. (Über die Gefahr künftiger kosmischer Einschläge, die den Fortbestand der Menschheit gefährden, und ihre Abwehrmöglichkeiten berichtet übrigens ausführlich das aktuelle Heft von bild der wissenschaft, März 2012.

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Aktive Sterne und schwächelnde Magnetosphären

Eine entscheidende Größe ist die Aktivität des Heimatsterns. So zeigten Beobachtungen der Weltraumobservatorien COROT und Kepler, dass viele sonnenähnliche Sterne drei- bis zehnmal aktiver sind als unsere Sonne. Sie emittieren mehr Ultraviolett- und Röntgenstrahlung und erzeugen außerdem mehr Eruptionen wie Flares. Das hat einen Einfluss auf die Entwicklung der Planetenatmosphären. Je stärker die Sternwinde und Strahlen, desto eher werden leichte Atome und Moleküle ins All geblasen. Besonders kritisch ist das in den ersten paar Hundert Millionen Jahren eines Planeten, da junge Sterne ? auch die Sonne ? in ihrer Jugend aktiver sind als in ihrer Hauptphase.

Magnetosphären sind ein anderer Faktor, der entscheidend ist für die Entstehung, Entwicklung und Existenzdauer von Leben. Denn die Stärke des Magnetfelds eines Planeten kann drastisch variieren. Und je schwächer es ist, desto intensiver ist der Einfluss der Kosmischen Strahlung.

Jean-Mathias Grießmeier von der Université d’Orléans diskutierte einige Faktoren, die die Stärke des Magnetfelds beeinflussen. So ist es schwächer, wenn ein Planet keinen festen Kern hat, der von einem flüssigen umgeben wird, wie bei der Erde, sondern nur einen flüssigen, denn das verringert den internen Wärmetransport. Auch Planeten ohne Plattentektonik haben schwächere Magnetfelder. Ähnliches gilt für langsam rotierende Planeten und für Supererden.

Planeten mit schwächeren Magnetfeldern sind einer stärkeren Kosmischen Strahlung ausgesetzt. Aufwendige Modellrechnungen können inzwischen zeigen, wie groß die Menge kosmischer Partikel ist, die auf eine Planetenatmosphäre prasseln, abhängig von der Magnetosphäre des Planeten. Starke Magnetfelder wirken wie ein Schutzschild, schwächere dagegen lassen die meisten ? und besonders die energiereichen ? Partikel durch.

Außerirdisches Ozon

Der kosmische Beschuss hat zur Folge, dass sich Stickoxide bilden und die obere Ozonschicht reduziert wird ? was wiederum die Strahlenbelastung auf der Planetenoberfläche erhöht und den Planeten weniger lebensfreundlich macht. Die Erde, die ein ausgeprägtes Magnetfeld besitzt, hätte den doppelten Ozon-Gehalt, wenn es keine Kosmische Strahlung gäbe.

Grießmeier wies aber auch darauf hin, dass das Fehlen von Ozon nicht unbedingt anzeigt, dass ein Exoplanet steril ist. Ozon gilt als ?Biomarker?, das heißt als eine Signatur von Leben, das zur Photosynthese fähig ist. Denn viele Einzeller können genau wie Algen und Pflanzen mithilfe von Kohlendioxid Sonnenlicht zur Energiegewinnung nutzen und produzieren als ?Abfallgas? Sauerstoff. Aus diesem entsteht durch die energiereiche Strahlung in der Hochatmosphäre Ozon. Da Atmosphären mit viel Sauerstoff aber nicht stabil sind, wenn das Gas nicht dauernd durch Lebewesen nachgeliefert wird, ist es ein atmosphärischer Biomarker – und damit auch Ozon. Im Gegensatz zu Sauerstoff lässt sich Ozon spektroskopisch relativ leicht nachweisen.

Wie häufig sich Ozon bildet, hat John Lee Grenfell vom Zentrum für Astronomie und Astrophysik an der Technischen Universität Berlin mit aufwendigen Modellrechnungen erforscht. Dabei wurde nicht nur die Atmosphären-Chemie, sondern auch das Klima berücksichtigt. Das wiederum liefert gute Voraussagen für erdähnliche Welten bei verschiedenen Sterntypen, sodass die Astronomen genauer wissen können, wonach sie suchen sollten.

?Es ist wichtig, Klima und Chemie zu verbinden?, sagte Grenfell. Er referierte außerdem über ?schlechtes?, also bodennahes Ozon, wie es im irdischen ?Smog? vorhanden ist. Das kann es beispielsweise auf Planeten geben, die M-Sterne umkreisen. Solche Sterne sind kühler und lichtschwächer als die Sonne. Inwiefern außerirdische Intelligenzen ihre Heimatwelt mit Giftgasen verschmutzen wie der Mensch, das werden Astronomen aber so schnell sicherlich nicht herausfinden können ? und Computersimulationen helfen da auch nicht weiter. Da eine Ersatz-Erde aber nicht gerade vor unserer kosmischen Haustür liegt, sollten wir gut auf unseren Planeten aufpassen.

© wissenschaft.de ? ===Rüdiger Vaas ===Rüdiger Vaas ist Astronomie-Redakteur von bild der wissenschaft und Autor des Buchs Hawkings Kosmos einfach erklärt ? Vom Urknall zu den Schwarzen Löchern
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