Die Forscher untersuchten nun die Wahrscheinlichkeit für ein anderes Szenario: Demnach befand sich Merkur zunächst in der 1:1-Resonanz, wurde dann aber durch einen Einschlag wieder in Drehung versetzt. Ihre Berechnungen zeigen, dass solch ein Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit zur heutigen Drehbewegung führte.
Auch auf der Oberfläche des Planeten finden sich Hinweise darauf, dass sich die Geschichte tatsächlich so abgespielt haben könnte. So rechneten die Forscher aus, wie größere Krater auf Merkurs Oberfläche verteilt sein müssten, wenn er der Sonne immer das gleiche Gesicht zuwendet. Wie sie schreiben, müssten Kometen und Asteroiden vor allem das Zentrum der Sonnen- und der Nachtseite treffen. Die Übergangszonen sollten dagegen weniger häufig getroffen werden. Tatsächlich weisen die größeren Krater eine streifenförmige Verteilung auf, berichten die Forscher.
Die Theorie liefert auch eine Erklärung für merkwürdige Hohlräume (?Hollows?) auf der Oberfläche. Als Merkur sich in der 1:1-Resonanz befand, könnten sich flüchtige, eisförmige Stoffe auf der kühlen Nachtseite angesammelt haben. Bei Einschlägen wurde das Eis unter dem Schutt begraben. Als sich Merkur aber wieder schneller zu drehen begann, fiel Sonnenlicht auf die Depots. Als das Eis bei der Hitze sublimierte, entstanden die auffälligen Kuhlen.
Der Einschlag, der den kleinen Planeten aus seiner ruhigen Bahn schubste, könnte auch das 1500-Kilometer große Caloris-Becken erzeugt haben. Wie die Forscher schreiben, liegt der Krater an der richtigen Stelle und hat die richtige Größe, um dem Planeten den nötigen Schub verpasst zu haben. Auch das Alter – etwa 3,8 Milliarden Jahre – passt zu dieser Theorie.