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Stellares Strahlen-Roulette

Astronomie|Physik

Stellares Strahlen-Roulette
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Darstellung eines Pulsars mit intensiver, stark gebündelter Radiostrahlung. (Bild: ESA / ATG medialab)
Pulsare sind die Leuchtfeuer des Kosmos: Die extrem kompakten, von einem starken Magnetfeld umgebenen Neutronensterne senden wie eine Art Leuchtturm rotierende Bündel von Röntgenstrahlen und Radiowellen weit ins All hinaus. Einige von ihnen erweisen sich dabei als echte Chamäleons: Scheinbar unvermittelt ändern sie Intensität und Zusammensetzung ihrer Radiowellenpulse. Warum, blieb bisher unklar. An einem dieser Chamäleon-Pulsare hat ein internationales Astronomenteam nun etwas Überraschendes beobachtet – und ist damit einer Erklärung für die Launen der Neutronensterne möglicherweise ein Stück näher gekommen.

Ein Pulsar ist im Prinzip nichts anderes als der Überrest eines massereichen Sterns. Explodiert dieser in einer Supernova, schleudert er einen Großteil seiner äußeren Materie ins All hinaus, sein Kern kollabiert jedoch und bildet einen extrem komprimierten, schnell rotierenden Neutronenstern. Um seine Dichte zu erreichen, müsste man die Sonne auf eine Kugel von nur 20 Kilometer Größe zusammenpressen. Extrem komprimiert und verstärkt ist bei einem Pulsar auch sein Magnetfeld. Es sorgt dafür, dass ein Großteil der von ihm ausgesendeten Strahlung, oft vor allem im Bereich der Radiowellen oder der Röntgenstrahlung, zu zwei intensiven Kegeln an den Polen gebündelt wird. „Was allerdings diese Strahlungsbündel entstehen lässt und sie so extrem energiereich macht, ist noch immer größtenteils unklar“, erklärt Erstautor Wim Hermsen von der Universität Amsterdam.

Und noch etwas gibt Rätsel auf. Einige Pulsare sind extrem launisch: Ihre Radiostrahlung nimmt innerhalb von Sekunden plötzlich extrem ab und ändert ihre Frequenz. Der Zeitpunkt des Umspringens ist dabei nicht vorhersehbar. Nach einigen Stunden oder Tagen wechseln die Pulsare dann wieder in ihren Ausgangszustand zurück, als wäre nichts geschehen. „Was diese Sterne dazu bringt, ihren Zustand zu ändern, wissen wir nicht – wir tappen da völlig im Dunkeln“, erklärt die Astronomin Joanna Rankin von der University of Vermont.

Globaler Kippschalter

Hermsen, Rankin und ihr Team haben nun einen dieser Chamäleon-Pulsare genauer untersucht – und zwar nicht nur seine Radiowellen-Emissionen, sondern parallel auch die von ihm ausgesendeten Röntgenstrahlen mit Hilfe des Röntgensatelliten XMM-Newton der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Dabei entdeckten sie Überraschendes: Immer, wenn die Radiostrahlung des Sterns plötzlich abnahm, stiegen seine Emissionen im Röntgenbereich drastisch an – ähnlich als wenn ein Kippschalter zwischen den verschiedenen Wellenlängenbereichen der Strahlung umgestellt wird. „Zu unserer großen Überraschung mussten wir feststellen, dass beim Rückgang der Radiohelligkeit der Signale auf die Hälfte, die Röntgenhelligkeit auf das Doppelte anstieg“, sagt Hermsen. Und nur in ihrer hellen Phase pulsiert die Röntgenstrahlung des Pulsars messbar.

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Diese Beobachtung aber torpediert bisherige Annahmen über die Entstehung der Schwankungen, die man in einer lokalen Beeinflussung der Radiostrahlung durch das Magnetfeld an den Polen des Sterns vermutete. Der jetzt entdeckte Wechsel zwischen der kurzwelligen Röntgen und der langwelligen Radiostrahlung aber sei durch solche lokalen Prozesse nicht erklärbar. „Da muss etwas global passieren“, sagt Rankin. Das gesamte globale Umfeld des Pulsars müsse eine Transformation durchmachen, um in nur gut einer Sekunde so stark umschalten zu können. Denn nach gängiger Theorie entstehen die Radiowellen, wenn energiereiche Partikel nach außen in das Magnetfeld geschleudert werden, die Röntgenstrahlung aber entsteht, wenn diese Teilchen nach innen beschleunigt werden und auf die Oberfläche des Pulsars treffen.

Was genau die Chamäleon-Pulsare zu ihrem wechselhaften Verhalten animiert, ist damit auch nach den neuen Beobachtungen nicht geklärt. Die Astronomen wissen aber nun immerhin, dass der Prozess wahrscheinlich das gesamte Magnetfeld des Neutronensterns umfasst. Wie genau, sollen nun weitere Untersuchungen an anderen, ebenfalls zwischen Radio- und Röntgenstrahlung wechselnden Pulsaren klären.

Wim Hermsen (Universität Amsterdam) et al.: Science, doi:10.1126/science.1230960
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