Der Saturnmond Titan ist offenbar zu Recht ein heißer Kandidat bei der Suche nach außerirdischem Leben: In seiner dichten Atmosphäre können die Grundbausteine des Lebens entstehen, haben US-Forscher jetzt gezeigt. Sie hatten im Labor die Bedingungen in der titanischen Gashülle simuliert. Dabei bildeten sich Aminosäuren und die Grundbausteine der Erbsubstanzvarianten DNA und RNA. Erstaunlicherweise sei flüssiges Wasser, das eigentlich als unverzichtbare Voraussetzung für die Existenz von Leben gilt, nicht erforderlich gewesen, sagen die Wissenschaftler. Das werfe die Frage auf, ob das Leben auf der Erde tatsächlich in einer Ur-Suppe entstanden ist oder ob es möglicherweise auch einen Ur-Nebel gegeben haben könnte.
Die intensive Strahlung, die die äußeren Schichten der Titanatmosphäre trifft, kann selbst die stabilsten Moleküle und stärksten chemischen Bindungen auseinander reißen. Um zu testen, welche Folgen das haben kann, mischten Sarah Hörst und Roger Yelle von der University of Arizona im Labor Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid, die Hauptbestandteile der dichten nebelartigen Atmosphäre des großen Saturnmondes, zusammen. Diese Mixtur setzten sie dann einer starken Radiostrahlung aus und beobachteten, welche Reaktionen in dem Gasgemisch abliefen.
Obwohl kein Wasser vorhanden war, bildeten sich zur Überraschung der Forscher die beiden Aminosäuren Glycin und Alanin, die auf der Erde zu den Grundbausteinen der Proteine gehören, sowie alle fünf Basiskomponenten der Nukleinsäuren RNA und DNA – Cytosin, Adenin, Thymin, Guanin und Uracil. Die Reaktionen seien komplett innerhalb einer gasförmigen Umgebung abgelaufen, staunte Hörst: „Wir brauchen kein flüssiges Wasser, wir brauchen keine feste Oberfläche. Wir zeigen, dass es möglich ist, sehr komplexe Moleküle in den äußeren Schichten einer Atmosphäre zu erzeugen.“
Die Ergebnisse haben nach Ansicht der Forscher vor allem zwei interessante Aspekte. Zum einen befeuern sie erneut die Frage danach, ob es Leben auf dem Titan gibt oder in Zukunft geben könnte. Und zum anderen werfen sie ein neues Licht auf den Beginn des Lebens auf der Erde: Wenn Wasser nämlich nicht unbedingt eine Voraussetzung für die Bildung von Biomolekülen ist, könnten die ersten Lebensformen statt in den Ur-Ozeanen auch in der frühen Atmosphäre entstanden sein. Eine genauere Analyse der titanischen Gashülle soll nun helfen, diese Fragen zu klären.
Sarah Hörst und Roger Yelle (University of Arizona): Beitrag auf dem Jahrestreffen der Planetologen der American Astronomical Society, Pasadena dapd/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel