Grönlands Gletscher fließen immer schneller und entlassen daher immer mehr Eis ins Meer. Das haben amerikanische Forscher bei der Auswertung von Satellitendaten der vergangenen zehn Jahre herausgefunden. Allein seit dem Jahr 2000 hat sich die Menge des ins Meer geflossenen Eises bei vielen Gletschern nahezu verdoppelt. Die Forscher führen diese Beschleunigung auf die höhere Lufttemperatur zurück, die in den vergangenen zwanzig Jahren im Südosten Grönlands um rund drei Grad Celsius angestiegen ist.
Für ihre Auswertung stellten Erik Rignot vom
California Institute of Technology in Pasadena und Pannir Kanagaratnam von der
Universität von Kansas in Lawrence eine Karte der Fließgeschwindigkeiten der grönländischen Gletscher in den Jahren 2000 und 2005 zusammen und verglichen diese Werte mit älteren Satellitendaten. Dabei ergab sich für den Zeitraum bis 2000 eine starke Zunahme der Geschwindigkeit im Süden dieser größten Insel der Welt. Diese Zunahme weitete sich bis 2005 bis zu den mittleren Breitengrade der Insel aus. Sollte sich der Effekt noch weiter in den Norden ausdehnen, wird die ins Meer entlassene Eismenge noch stärker zunehmen, schreiben die Forscher.
Hauptursache für die Beschleunigung der Gletscher sei der besonders im Süden in den vergangenen Jahrzehnten deutlich messbare Temperaturanstieg, vermuten die Wissenschaftler. Einer der Effekte dabei sei, dass bei höheren Temperaturen mehr Schmelzwasser in die Betten eindringt, in denen die Gletscher über den Fels fließen. Das Wasser wirkt dort zwischen Eis und Fels wie ein Gleitmittel und beschleunigt so die Bewegung. Welche Mechanismen für die Beschleunigung sonst noch eine Rolle spielen, sei jedoch nicht ganz verstanden, erklärt Erik Rignot.
Das grönländische Eisschild ist bis zu drei Kilometer dick und mit einer Fläche von 1,7 Millionen Quadratkilometern fast fünfmal so groß wie Deutschland. Würde diese gesamte Eismasse ins Meer fließen und schmelzen, stiege der Meeresspiegel um sieben Meter an. Doch auch jetzt trägt schmelzendes Eis aus Grönland zum Anstieg des Meeresspiegels bei: Von dem derzeit messbaren Anstieg um 3 Millimeter pro Jahr gehen etwa 0,5 Millimeter auf das Konto des grönländischen Eises, ergaben die Berechnungen der beiden Wissenschaftler.
Erik Rignot (California Institute of Technology, Pasadena) und Pannir Kanagaratnam (Universität von Kansas, Lawrence): Science, Bd. 311, S. 986 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald