Die Gefahr für ein Erdbeben ist ? statistisch betrachtet ? umso kleiner, je länger das letzte Beben zurückliegt. Die Zeitintervalle zwischen den Beben folgen einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung, wobei Erdstöße eine Tendenz zum gehäuften Auftreten zeigen. Das hat der spanische Physiker Álvaro Corral bei einer Analyse aller Erbeben der vergangenen dreißig Jahre gezeigt, über die er in einer kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters berichtet.
Corral hatte alle auf der Erde registrierten Beben seit 1970 analysiert und dabei im Gegensatz zu früheren Analysen nicht zwischen den eigentlich Hauptbeben und den meist schwächeren Nachbeben unterschieden. Anschließend teilte der Physiker von der
Autonomen Universität von Barcelona die Oberfläche der Erde in verschiedene Zonen auf und berechnete die Zeitintervalle zwischen aufeinanderfolgenden Beben für jede Region. Sein Ergebnis: Die zeitliche Abfolge der
Erdbeben ist nicht zufällig, sondern folgt einem allgemeinen Wahrscheinlichkeitsgesetz. Je schneller die Beben aufeinander folgen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für weitere Erdstöße.
Corral vergleicht die von ihm entdeckte Wahrscheinlichkeitsverteilung mit der eines gezinkten Würfels: Bei einzelnen Würfen kann niemand vorhersagen, welche Zahl erscheinen wird. Wird der Würfel jedoch oft genug geworfen, erscheint ein Ergebnis häufiger als die anderen. Obwohl also der Prozess zufällig ist, gehorcht er einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die ein Ergebnis begünstigt. Genauso sei es bei Erdbeben: Die Zeit, die nach einem Erdbeben vergehen wird, bis das nächste stattfindet, kann ? zumindest bisher ? nicht vorhergesagt werden. Werden jedoch sehr viele Erdbeben über einen langen Zeitraum betrachtet, zeigt sich ebenfalls eine bestimmte Verteilung. Diese Wahrscheinlichkeitsverteilung ist laut Corral ein Hinweis darauf, dass der Entstehung von Erdbeben ein ganz einfacher physikalischer Mechanismus zugrunde liegen könnte.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel