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Einzigartiger „Himmelsbote“

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Einzigartiger „Himmelsbote“
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Eingebettet in Kalkstein: der neuartige Meteorit (Foto: Birger Schmitz)
Meteoriten gibt es auf der Erde reichlich – und ständig fallen neue nach. Doch der Gesteinsbrocken, den Forscher in einem Steinbruch in Schweden entdeckt haben, ist eine echte Besonderheit. Denn wie Analysen ergaben, ähnelt er in seiner Zusammensetzung und den Isotopenwerten keinem anderen bisher auf der Erde gefundenen Meteoriten. Hinzu kommt: Der Österplana 65 getaufte Brocken schlug vor rund 470 Millionen ein – und damit kurz nach einer folgenreichen Kollision im Asteroidengürtel.

Jedes Jahr regnen mehr als 19.000 Meteoriten auf die Erde herab – und jeder von ihnen trägt wertvolle Informationen über unsere kosmische Umgebung und die Geschichte des Sonnensystems in sich. Die urtümlichsten Vertreter dieser „steinigen Himmelsboten“ sind die sogenannten Chondriten – Gesteinsbrocken, in deren Grundmatrix kugelförmige, bis zu einem Zentimeter große Silikatkörnchen eingeschlossen sind. Die Chondriten machen rund 86 Prozent der heute auf der Erde einschlagenden Brocken aus. Eine Untergruppe von ihnen, die eisenarmen L-Chondriten, haben dabei eine Besonderheit, wie Forscher bereits in den 1960er Jahren feststellten: Auffallend viele von ihnen sind rund 500 Millionen Jahre alt – und damit weit jünger als die meisten anderen Meteoritentypen, die aus der Frühzeit des Sonnensystems stammen. „Diese Meteoriten scheinen zu jener Zeit ein massives Kollisionsereignis durchgemacht zu haben“, erklären Birger Schmitz von der Universität Lund in Schweden und seine Kollegen. Bei dieser Kollision zerbrach ein größerer Himmelskörper und schuf damit diese Meteoriten, die dann auf die Erde fielen. „In marinen Kalksteinschichten, die sich vor rund 470 Millionen Jahren bildeten, finden sich Beweise für einen 100-fachen Anstieg von L-Chondriten und Mikrometeoriten“, berichten die Forscher.

Rätselhaft blieb aber bisher, mit welchem Asteroiden der Mutterbrocken dieser Meteoriten zusammengestoßen sein könnte. Jetzt haben Schmitz und seine Kollegen möglicherweise das allererste Relikt dieses unbekannten Kollisionspartners identifiziert. Es handelt sich dabei um einen 8 Zentimeter langen und 6,5 Zentimeter breiten Gesteinsbrocken, den die Forscher im Kalkstein des Thorsberg Steinbruchs in Schweden gefunden haben. Datierungen der Schicht ergaben, dass der Meteorit vor rund 470 Millionen Jahren ins Meer gestürzt sein muss und dann in den Meeresboden eingebettet wurde. Er schlug damit nahezu zeitgleich wie die zahlreichen bekannten L-Chondriten ein, wie die Wissenschaftler erklären. Isotopen-Analysen des Österplana 65 getauften Meteoriten bestätigten dies: Der Brocken entstand bis auf eine Million Jahre genau zur Zeit der mutmaßlichen Kollision im All. Doch aus dem „Mutterbrocken“ der L-Chondriten kann Österplana 65 nicht stammen, wie nähere Analysen der Chrom- und Sauerstoff-Isotope zeigten. Stattdessen repräsentiert er etwas bis dato völlig Unbekanntes: „Österplana 65 hat keine dokumentierte Entsprechung unter den bekannten Meteoriten, die zu jener Zeit auf die Erde fielen“, berichten Schmitz und seine Kollegen.

Einzigartig unter allen bekannten Meteoriten

Doch der seltsame Brocken unterscheidet sich nicht nur von den fossilen, sondern auch von allen anderen bekannten Meteoriten. „Mineralogische und petrologische Daten stützen die Schlussfolgerung, dass Österplana 65 einen bisher völlig unbekannten Typ von Meteorit repräsentiert“, konstatieren die Forscher. Das aber lässt ihrer Ansicht nach zwei Schlüsse zu: Zum einen könnte es selbst vor rund 500 Millionen Jahren – und damit relativ spät in der Geschichte des Sonnensystems – noch eine viel größere Vielfalt von Meteoritenvorläufer-Objekten im Asteroidengürtel gegeben haben als heute. Einige dieser Brocken wurden dann bei Kollisionen offenbar so gründlich zerstört, dass heute kaum mehr Bruchstücke von ihnen übrig sind, die als Meteoriten die Erde treffen könnten. „Es könnte sich hier um den ersten dokumentierten Fall eines ‚ausgestorbenen‘ Meteoriten handeln“, erklären die Wissenschaftler. „Dieser Meteoritentyp fällt heute nicht mehr auf die Erde, weil sein Ursprungs-Himmelskörper durch Kollisionen komplett zerstört wurde.“

Noch viel spannender aber ist der zweite Schluss, den die Forscher aus den Merkmalen von Österplana 65 ziehen: Der Meteorit könnte ein Trümmerstück des mysteriösen Asteroiden sein, der vor rund 470 Millionen Jahren mit dem „Mutterköper“ der L-Chondriten kollidierte. Dafür sprechen sowohl der Zeitpunkt seiner Entstehung als auch die Schockspuren in den Gesteinseinschlüssen von Österplana 65, wie die Wissenschaftler berichten. „Es ist möglich, dass die Kollision zwischen dem L-Chondriten-Vorläufer und dem Österplana 65-Vorläufer letzteren fast komplett zerstörte“, so Schmitz und seine Kollegen. „Während der L-Chondriten-Vorläufer in unzählige kleinere Objekte zerfiel, die seither als Meteoriten fallen, blieb von seinem Kollisionspartner dafür nicht genug übrig.“ Österplana 65 könnte daher einer der letzten Relikte dieses Asteroiden sein.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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