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Überlebenswichtig auch für uns: die Tiefsee

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Überlebenswichtig auch für uns: die Tiefsee
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Das Gorgonenhaupt war die erste Art, die aus der Tiefsee geborgen wurde (SERPENT Project/D.O.B. Jones / CC-by-sa 4.0)
Sie ist dunkel, umfasst gewaltige Flächen und ist für Menschen nahezu unerreichbar: Die Tiefsee gehört zu den wenigen Gebieten der Erde, die noch immer in großen Teilen unerforscht sind. Dennoch gibt es bereits konkrete Pläne, in dieses Ökosystem einzugreifen, um wertvolle Rohstoffe zu bergen. Eine internationale Gruppe von Meeresforschern warnt nun jedoch vor vorschnellen Aktionen. Denn die Tiefsee ist für unseren Planeten und auch für die Menschheit überlebenswichtig, wie sie in ihrer Studie verdeutlichen. Bevor man daher die Rohstoffe ausbeutet, muss unbedingt sichergestellt werden, dass dies geschieht, ohne das gewaltige, sensible Ökosystem so zu stören oder zu schädigen, dass es wichtige Dienste nicht mehr leisten kann – denn dann schaden wir uns selbst, so die Warnung der Forscher.

Die Tiefsee ist das größte Biotop unseres Planeten: Der Meeresboden unterhalb von 200 Metern Tiefe umfasst 63 Prozent der gesamten Fläche der Erde, wie Andrew Thurber von der Oregon State University in Corvallis und seine Kollegen erklären. Das zur Tiefsee gehörende Wasservolumen repräsentiert sogar 98,5 Prozent des gesamten von Tieren dauerhaft bewohnbaren Raumes. Dennoch ist dieser Meeresbereich einer der letzten kaum erforschten Gebiete, denn der größte Teil davon ist für uns Menschen nur schwer erreichbar. Nur spezielle Tauchfahrzeuge und Tauchroboter können in die lichtlosen Tiefen gelangen und punktuelle Einblicke gewähren. Methoden der Fernerkundung liefern wiederum nur bestimmte Daten. “Unsere Verständnis darüber, wie die Tiefsee funktioniert, ist begrenzt”, betonen die Forscher. Betrachte man aber alle Erkenntnisse im Überblick, dann zeige sich deutlich, wie entscheidend der tiefe Ozean und der Meeresboden für unser aller Leben und unsere Gesellschaften seien.

Um die Leistungen und Bedeutung der Tiefsee deutlich zu machen, werteten die Forscher 200 wissenschaftliche Studien zur Tiefsee aus. Aus diesen Daten trugen sie zusammen, auf welche Weise die Prozesse und Organismen der Tiefsee die Menschheit, aber auch die Natur als Ganzes und den Planeten  beeinflussen. So sind die so unterschiedlichen Habitate wie Kaltwasserkorallenriffe, hydrothermale Schlote oder weite, scheinbar karge submarine Ebenen die Heimat unzähliger Tier- und Mikrobenarten. Seit einigen Jahren zeigen Studien, dass die Tiefsee dabei längst nicht so leer und artenarm ist wie einst gedacht. Stattdessen finden sich hier komplexe Organismengemeinschaften, die auch für viele weiter oben lebende Meerestiere die Nahrungsgrundlage bilden. “Der Meeresboden der Tiefsee enthält immerhin 78,9 Prozent der gesamten Biomasse der marinen Bodenzone”, berichten die Forscher. Ohne die Tiefsee würden daher viele Fischgründe leer bleiben.

Klimasenke und Energielieferant

Gleichzeitig spielen vor allem die Mikrobengemeinschaften der Tiefsee auch eine wichtige Rolle für globale Stoffkreisläufe. So sorgen methanfressende Bakterien dafür, dass nur ein geringer Teil des aus Methanhydrat-Vorkommen entweichenden Methans an die Wasseroberfläche gelangt. Der weitaus größte Teil dieses potenten Treibhausgases wird von den Bakterien aufgezehrt. “Nur deshalb tragen ozeanische Quellen bisher nur 2-4 Prozent zum Methanausstoß in die Atmosphäre bei”, betonen die Forscher. Auch für ein zweites Treibhausgas, das Kohlendioxid, fungiert die Tiefsee als Puffer und Speicher zugleich: “Die Tiefsee speichert zurzeit rund 37.000 Gigatonnen Kohlenstoff und hat bereits ein Viertel des gesamten Kohlenstoffs aufgenommen, der durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wurde”, erklären die Wissenschaftler. Ohne diese Leistungen der Tiefsee wäre der Klimawandel daher schon weiter fortgeschritten.

Aber auch im nichtbiologischen Bereich leistet die Tiefsee wertvolle Dienste. Ein Beispiel sind fossile Brennstoffe wie Erdöl und Gas:  Heute werden Lagerstätten in immer tieferen Gewässern erschlossen, weil die flacheren Vorkommen erschöpft sind und die Technik inzwischen eine Ausbeutung tiefer Lagerstätten ermöglicht. Die Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexico habe aber gezeigt, welche Risiken dies berge – auch und gerade für die sich nur langsam regenerierende Meeresumwelt, betonen die Forscher. Gleichzeitig gibt es in der Tiefsee auch noch bisher unangezapfte Energiereserven wie die Methanhydratvorkommen oder die Wärmeenergie der hydrothermalen Schlote.

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Erst Schutz, dann Abbau

Aktuell in der Diskussion und Planung ist auch die Gewinnung von wertvollen Metallen und Mineralien durch Tiefsee-Bergbau. “Diese Tiefsee-Rohstoffe werden wahrscheinlich noch innerhalb der nächsten Jahrzehnte in großem Umfang abgebaut werden”, sagen die Forscher. So ist die Planung für einen Abbau von Manganknollen im Pazifik bereits relativ weit fortgeschritten. Aber auch hier warnen die Wissenschaftler vor den Folgen unbedachter Eingriffe: Die Ablagerungen der Metalle und Minerale bildeten sich innerhalb von Jahrhunderten und Jahrtausenden und sind daher nach unseren Zeitmaßstäben nicht erneuerbar.

“Der Wert der Tiefsee muss klar sein, wenn wir darüber entscheiden, wie wir sie in Zukunft vermehrt nutzen”, betont Thurber. “Denn wir müssen darauf achten, nicht die Leistungen und Dienste zu verlieren, die sie uns jetzt schon bereitstellt.” Es sei daher dringend nötig, über einen verantwortlichen Umgang mit der Tiefsee nachzudenken und zu diskutieren, bevor die Ausbeutung zu weit fortgeschritten sei, mahnen die Wissenschaftler. Sie hoffen, dass ihre Daten und Erkenntnisse auch den Entscheidungsträgern verdeutlichen, wie wichtig dieses ozeanische Reich für die Menschheit und die Gesellschaft ist – und wie sensibel es gegenüber Eingriffen reagiert.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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