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Meteoritenjagd mit Überraschungen

Astronomie|Physik

Meteoritenjagd mit Überraschungen
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Nach 20 Jahren Suche wurden diese Trümmer des Benešov-Boliden gefunden (Spurný et al.)
20 Jahre haben Meteoritenjäger aus aller Welt nach ihm gesucht: Als im Mai 1991 ein Meteor über Tschechien in der Luft explodierte, fahndete man zunächst vergebens nach Trümmerteilen. Erst jetzt haben Forscher vier der Gesteinsfragmente aufgespürt und geborgen. Die Funde geben überraschende Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur des kosmischen Boliden, denn er bestand offenbar aus einem losen Verbund ganz verschiedener Gesteine. Damit ist dies erst der zweite Nachweis eines solchen heterogenen Meteors.

Am 7. Mai 1991 gegen 23:00 Uhr nachts erhellte plötzlich ein Feuerball den Himmel über Tschechien. „Der Bolide war so hell, dass er die mondlose Nacht zu hellem Tag machte“, berichten Pavel Spurný vom astronomischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Ondrejov und seine Kollegen. Ein gut ein Meter großer und vier Tonnen schwerer Meteor war ungewöhnlich tief in die Erdatmosphäre eingedrungen. In 19 Kilometern Höhe explodierte er und zerfiel dabei in zahlreiche Trümmerteile. Der Effekt des Benešov-Boliden, wie dieser Meteor genannt wurde, gilt als einer der am besten dokumentierten und beobachteten Ereignisse dieser Art. Kameras und Messinstrumente des European Fireball Network verfolgten den Flug und ermöglichten detaillierte Analysen von Flugbahn, Herkunft und – anhand von spektrometrischen Analysen – auch erste Schlussfolgerungen über die Zusammensetzung des Meteors.

Die Daten deuteten darauf hin, dass der Bolide zerplatzt sein musste und daher die Trümmerteile als Meteoriten über ein größeres Gebiet verstreut wurden. Doch als sich Forscher und Hobby-Meteoritenjäger auf die Suche machten, fanden sie nichts. „Es war ziemlich frustrierend, dass wir selbst bei so günstigen Voraussetzungen nicht einen einzigen Meteoriten finden konnten“, berichten Spurný und seine Kollegen. Zwar war das mutmaßliche Absturzgebiet von dichter Vegetation bedeckt, dennoch hätte die umfangreiche Suche eigentlich etwas ergeben müssen. Der Verdacht lag daher nahe, dass man am falschen Ort suchte. Seither haben zahlreiche weitere Ereignisse dieser Art, darunter auch Feuerbälle in Neuschwanstein und in Spanien, weitere Daten darüber geliefert, wie und wo die Meteoriten nach dem Zerplatzen eines Boliden niedergehen.

Neue Suche, neues Gebiet

Die Forscher nutzten diese neuen Erkenntnisse und neue technische Methoden der Bildauswertung, um die Flugbahn des Benešov-Boliden und das Absturzgebiet der Trümmer neu zu berechnen – und erneut auf die Suche zu gehen. Wie die neuen Auswertungen ergaben, war das Absturzgebiet der Meteoriten 1991 tatsächlich falsch berechnet worden: Die Flugbahn des Benešov-Boliden verlief 385 Meter weiter östlich als angenommen. Zum anderen aber zeigten die Berechnungen, dass die größeren Trümmerstücke von mehreren hundert Gramm Masse alle in einem extrem zerklüfteten und nahezu unmöglich zu durchsuchenden Terrain niedergegangen sein mussten. Dafür aber waren bei der Explosion wahrscheinlich bis zu 250.000 kleine Trümmerstücke von bis zu wenigen Gramm Masse entstanden, wie die Forscher berichten. Diese Trümmer landeten größtenteils in einem ebenen, von Feldern bedeckten Gebiet – und damit in einem sehr viel einfacher zu durchsuchenden Areal.

Das Suchgebiet lag damit fest. Wie aber sollte man winzige Meteoritentrümmer finden, die seit 20 Jahren durch die Beackerung der Felder immer wieder in den Boden gepflügt worden waren? Hier kamen den Forschern Daten der Spektralanalysen des Feuerballs zu Hilfe. Denn sie zeigten, dass der Bolide und seine Trümmer genügend Eisen enthalten könnte, um diese mit einem Metalldetektor aufzuspüren. Und tatsächlich hatten Spurný und seine Kollegen Erfolg: 20 Jahre nach der Explosion des Benešov-Boliden fanden sie immerhin vier der lange gesuchten Trümmer – genau dort, wo sie nach ihren Berechnungen sein sollten.

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Überraschend heterogen

Die Analyse der insgesamt knapp 12 Gramm schweren Gesteinsbröckchen brachte die nächste Überraschung: Zwar gehörten alle zur Gruppe der chondritischen Meteoritengesteine. Ihre chemische und mineralische Zusammensetzung war jedoch sehr unterschiedlich, wie die Forscher berichten. Sie schließen daraus, dass der Benešov-Bolide aus mindesten drei verschiedenen Gesteinstypen bestand. „Vermutlich wurde der Asteroid, aus dem der Meteoroid stammt, durch Kollisionen mit anderen Asteroiden stark verändert und umgeformt“, so die Erklärung der Wissenschaftler. Ähnliches nehmen Astronomen auch für (21) Lutetia an, einen Asteroiden des Hauptgürtels, den die Raumsonde Rosetta im Jahr 2010 passierte und dabei näher untersuchte. Bei Meteoritenfunden auf der Erde ist dies erst das zweite Mal, dass solche heterogenen Zusammensetzungen gefunden wurden.

„Dieses Ergebnis ist in mehrerer Hinsicht bahnbrechend“, konstatiert Spurný: Zum einen belege der Fund, dass es auch so lange nach einem Meteoritenfall noch möglich ist, Trümmer davon zu finden. Am wichtigsten aber sei die Heterogenität der Fundstücke. „Dieser Fall zeigt klar, dass größere Meteoroiden in Bezug auf ihre Zusammensetzung sehr komplex sein können“, so die Forscher.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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