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Antarktis: Eisiger Rechenfehler

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Antarktis: Eisiger Rechenfehler
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Eisberg umgeben von Meereis in der Antarktis (Eva Nowatzki, imaggeo.egu.eu)
Während das Meereis in der Arktis im Rekordtempo schwindet, nimmt es in der Antarktis sogar deutlich zu – das jedenfalls war im letzten IPCC-Weltklimabericht zu lesen. Doch diese vermeintliche Zunahme könnte auf einem Auswertefehler beruhen, wie US-Forscher feststellten. Denn im Jahr 2007 stellte das Zentrum, das die Eisdaten verwaltet und zur Verfügung stellt, den Algorithmus um, mit dem die Daten der verschiedenen Satelliten und Sensoren zusammengefügt wurden. Wie sich jetzt zeigt, ging mit dieser Umstellung ein sprunghafter Anstieg der Eismesswerte einher. Einer der beiden Algorithmen ist daher höchstwahrscheinlich fehlerhaft – aber welcher? Diese Frage sollten Klimaforscher nun eilends beantworten.

Die globalen Temperaturen steigen und dies besonders stark in den hohen Breiten der Erde. Dass das Meereis in der Arktis daher immer weiter zurückgeht, ist nicht sonderlich verwunderlich. Eher schon, dass sich in der Antarktis bisher vergleichsweise wenig tut. Zwar zeigen auch hier vor allem die Küstengletscher der Westantarktis klare Anzeichen für ein beschleunigtes Abtauen, das um den Kontinent liegende Meereis schien sich aber zunächst kaum zu verändern: Die Veränderungen seien nicht signifikant, hieß es im vorletzten Weltklimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2007. Für den aktuellen Weltklimabericht von 2013 hatten die Klimaforscher die Zeitreihe um einige Jahre an Eisbedeckungsdaten ergänzt und kamen nun zu einem anderen Schluss: Demnach nimmt das antarktische Meereis nun sogar um rund 16.500 Quadratkilometer pro Jahr zu – das ist immerhin ein Drittel der Eisfläche, die jedes Jahr in der Arktis verloren geht.

Bisher hatte man sich diese Diskrepanzen damit erklärt, dass sich der Trend in den letzten Jahren verstärkt haben muss und deshalb die Meereisdaten nun eine signifikante Zunahme ergaben. „Aber als wir uns anschauten, wie die diesem Trend zugrundeliegenden Zeitreihen zur Eisbedeckung  sich verändert hatten, sah es irgendwie nicht richtig aus“, erklärt Erstautor Ian Eisenman von der Scripps Institution of Oceanography in San Diego. Als die Forscher beide Zeitreihen verglichen, zeigten sich auch schon für ältere Messungen Abweichungen zwischen beiden Versionen. Ihr Verdacht: Es könnte an dem Algorithmus liegen, mit dem die Messdaten der verschiedenen Satelliten und Sensoren einander angeglichen und zu einer einheitlichen Messreihe zusammengefügt werden.

Neuer Algorithmus – mit Folgen

Die Eisbedeckung der Polargebiete wird bereits seit Ende der 1970er Jahre durch Mikrowellensensoren an Bord von Satelliten gemessen. Im Laufe der Jahre sind diese Satelliten und ihre Sensoren natürlich immer wieder gegen neuere Modelle ausgetauscht worden – mit jeweils anderer Sensitivität. Um diese verschiedenen Rohdaten zu vereinheitlichen, setzt das National Snow and Ice Data Center (NSIDC), das diese Daten verwaltet und bereitstellt, einen sogenannten Bootstrap-Algorithmus ein. Im September 2007 jedoch erstellte das NSIDC ein Update dieses Algorithmus, der die Vergleichbarkeit der Eisbedeckungsdaten mit anderen Satellitenwerten erleichtern sollte. Alle alten Rohdaten wurden nun noch einmal mit der neuen Bootstrap-Version neu berechnet. „In der Gemeinschaft der Eisforscher ging man davon aus, dass dies einen vernachlässigbaren Effekt auf die Aussage der Daten haben würde.

Doch Eisenman und seine Kollegen belegen nun das Gegenteil: „Es gibt eine klar erkennbare Verzerrung zwischen den beiden Versionen der Bootstrap-Datensätze“, berichten sie. In der neuen Version erscheinen alle Daten vor 1991 etwas niedriger, alle danach etwas höher als in der alten Version. Zu diesem Zeitpunkt wurden Satellitensensoren verändert und die beiden Algorithmen-Versionen verrechnen dies offenbar auf unterschiedliche Weise, wie die Forscher erklären. Dadurch aber suggeriert die neue Version eine insgesamt stärkere Zunahme des Meereises.

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Das Problem dabei: Bisher ist nicht klar, welche der beiden Versionen die richtige ist. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Meereis-Trends in den beiden Weltklimaberichten von 2007 und 2013 nicht beide korrekt sein können“, sagt Eisenman. Denn beide beruhen auf unterschiedlichen Versionen des Algorithmus – und einer von beiden enthält einen signifikanten Fehler. „Wir haben aber bisher noch nicht identifizieren können, welcher dies ist“, so der Forscher. Sollte sich aber die zweite Version als fehlerhaft herausstellen, könnte dies ein wichtiges Dilemma der Klimaforscher lösen helfen. Denn dann wäre klar, dass das antarktische Meereis zwar etwas zäher und stabiler ist als das arktische, dass es aber auch ihm nicht gelingt, in einer wärmeren Welt trotzdem unbeirrt weiter anzuwachsen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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