Vom Sediment in das Schmelzwasser
Woher sonst aber könnte das Eisen kommen? Ein erstes Indiz lieferte den Forschern die Beobachtung, dass immer dann die Algenblüten besonders ausgiebig ausfielen, wenn das Frühjahr warm war und die grönländischen Gletscher besonders viel Schmelzwasser ins Meer abgaben. Dieses Wasser sickert aus dem Eis meist erst nach unten bis auf den Felsgrund und kommt dort mit dem vom Gletscher fein zermahlenen Gestein in Kontakt. Theoretisch kann es dort Eisen aus dem Untergrund aufnehmen, das durch chemische und mechanische Verwitterung aus dem Gestein gelöst wurde, wie die Wissenschaftler erklären. Aber ist das auch der Fall? Und wenn ja, wie viel gelangt über diesen Weg tatsächlich ins Meer?
Um diese Fragen zu klären, entnahmen Bhatia und ihre Kollegen Wasserproben an drei Gletschern im Nordwesten Grönlands, deren Schmelzwasser erst in einen langgestreckten See, dann über einen Fjord in den Nordatlantik fließt. In den Proben analysierten sie sowohl sehr kleine, im Wasser gelöste Eisenteilchen als auch größere Klumpen verschiedener Eisenoxide und -hydroxide und prüften auch, wie viel von diesen Molekülen für Algen bioverfügbar und damit verwertbar wären.
0,3 Megatonnen Eisen pro Jahr
Das Ergebnis: Im Schmelzwasser des Sees fanden die Forscher rund 3,8 Mikromol gelöstes Eisen – das ist eine Größenordnung mehr als bisher angenommen und auch zehnmal mehr als beispielsweise mit dem Wasser der sibirischen Flüsse Ob und Jenissej ins Nordmeer gespült wird. Auch die Konzentrationen der größeren Eisenverbindungen waren höher als angenommen. “Wenn wir unsere Beobachtungen auf das gesamte Eisschild Grönlands hochrechnen, dann fließen mit dem Schmelzwasser jährlich rund 0,3 Megatonnen gelöstes und partikuläres, bioverfügbares Eisen in den Nordatlantik”, berichten Bhatia und ihre Kollegen. Das sei in etwa so viel, wie über den Staub eingetragen werde.
Nach Ansicht der Forscher ist das Schmelzwasser der grönländischen Gletscher damit schon jetzt ein wichtiger Nährstoff-Lieferant für die Algenblüten des Nordmeeres. Das könnte erklären, warum sich das Phytoplankton in den Jahren besonders stark vermehrt, in denen auch viel Schmelzwasser in den Ozean strömt. “Angesichts des Klimawandels und der sich beschleunigenden Eisschmelze in Grönland wird der Nährstoffeinstrom aus dieser Quelle in Zukunft wahrscheinlich weiter zunehmen und das Algenwachstum weiter anregen”, schließen die Forscher.