Um zu prüfen, ob diese extreme Abnahme während des 20. Jahrhunderts innerhalb der natürlichen Schwankungen liegt, untersuchte das Forscherteam um den Paläontologen Dermot Antoniades von der Université Laval, Québec, Sedimente aus dem im betreffenden Gebiet liegenden Disraeli Fjord und schloss so auf die Entwicklung der Eisfläche. Anhand von in den Proben enthaltenen Nährstoffen wie Eisen, Mangan und Kalzium sowie anhand des organischen und anorganischen Kohlenstoffs konnten die Wissenschaftler auf die jeweilige Lebewelt schließen und damit auch darauf, ob das Gebiet im Norden von Ellesmere Island zu bestimmten Zeiten von Süßwasser oder von Meereswasser beziehungsweise Schelfeis geprägt war.
Demnach weisen die Ablagerungen von vor 4.000 bis vor 1.400 Jahren auf sauerstoffarme Verhältnisse hin, berichten die Wissenschaftler. Das spreche für eine dicke Eisschicht, unter der nur wenige Organismen überleben können. Während einer anschließenden Warmzeit schwand ein Großteil der Eisfläche. Dieser etwa 600 Jahre andauernden Periode ordnen die Geowissenschaftler Süßwassersedimente mit deutlich höherem Anteil an organischem Kohlenstoff, also einer intensiveren Lebewelt, zu.
Vor etwa 800 Jahren wurde das Klima wieder kälter, und das Schelfeis erlangte nahezu seine ursprüngliche Größe ? bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Innerhalb von nur 100 Jahren schmolzen dann fast 90 Prozent des Ward Hunt Ice Shelfs, der größte Teil davon während des vergangenen Jahrzehnts. Laut den Forschern ist derzeit das Klima in Amerika so warm wie noch nie während der vergangenen 1.000 Jahre. Demzufolge könnten binnen der nächsten zehn Jahre sämtliche Schelfeisschilde ? sowohl der Arktis als auch der Antarktis ? vollständig verschwinden. Ob kleinere Schilde als das Ward Hunt Ice Shelf genauso stark auf die steigenden Temperaturen reagieren, sollen künftige Studien klären, so Dermot Antoniades.