„Es ist nicht sonderlich überraschend, dass die Eisschilde den Meeresspiegelanstieg in der Zukunft dominieren werden, schließlich sind sie wesentlich größer als alle anderen Gletscher“, sagte Rignot. „Es ist aber durchaus überraschend, dass sie bereits jetzt einen größeren Anteil am Meeresspiegelanstieg haben.“ Wenn sich dieser Trend fortsetze, werde der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts deutlich höher steigen als die 30 bis 40 Zentimeter, die der Klimarat IPCC noch 2007 prognostizierte, meint Rignot. 30 Zentimeter könnten bereits 2050 erreicht sein. Bis 2100 rechnet er mit einem Anstieg von einem Meter und schlimmstenfalls sogar deutlich mehr.
Die Ursachen des Eisverlustes sind unterschiedlich, berichtete Rignot in Wien. Sowohl in Grönland als auch in der Westantarktis beschleunigten sich viele Eisströme in der Nähe der Küsten, wodurch mehr Eis ins Meer abfloss. Schmelzwasser, das von oben durch Ritzen an den Fuß des Eises gelangte, spielte aber keine große Rolle als Gleitmittel. Entscheidender war vielmehr die Wirkung warmen Meerwassers. Die Ozeane spielten eine wichtige Rolle dabei, schwimmende Schelfeise in der Antarktis und Gletscherzungen in Grönland von unten zu destabilisieren. Wenn ein solches Bollwerk einmal abgebrochen ist, beschleunigen sich die Eisströme im Inland drastisch, hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt. In der Antarktis konnten diese Verluste nicht durch zunehmende Niederschläge ausgeglichen werden ? auch das hatten viele Forscher bislang anders gesehen.
Rignot zufolge ist auch die Ostantarktis nicht gegen die Schmelze immun. Dieser größte Teil des Südkontinents galt bislang als stabil. Die kleinere Westantarktis dagegen ist anfälliger für warme Temperaturen, weil die Basis des Eises größtenteils unterhalb der Wasseroberfläche liegt. Doch auch im Osten des Kontinents gibt es ein gefährdetes Gebiet, das von der Wissenschaft freilich bislang kaum beachtet wurde, so Rignot. In diesem Sektor, der mehr Eis beherbergt als die gesamte Westantarktis, gebe es ebenfalls Anzeichen für Veränderungen.