Demnach starb das Zotteltier im Alter von zwölf Jahren vor 460.000 Jahren im Kies eines Schmelzwasserdeltas. Da es sich um das älteste aus Europa bekannte Wollnashorn handelt, vermuten die Forscher, dass die Tiere ungefähr um diese Zeit erstmals aus ihrem Verbreitungsgebiet in Zentralasien östlich des Baikalsees nach Europa vordrangen. Damals hatte gerade die sogenannte Elster-Eiszeit begonnen: Erstmals in der jüngeren Erdgeschichte schoben sich Gletscher aus Skandinavien bis nach Mitteleuropa vor. Die Stirn des Eisschildes befand sich nur wenige Kilometer vom Fundort des Nashorns entfernt. Der heute dicht bewaldete Gebirgszug war damals völlig kahl und ragte aus der kargen Steppe heraus.
Die eintönige Landschaft war aber ein Paradies für gut angepasste Kreaturen wie Mammuts, Rentiere oder Moschusochsen. Sie fanden von den Küsten des Polarmeeres bis zum Pazifik und im Westen bis nach Mitteleuropa überall passende Nahrung. Auch das Wollnashorn passte sich den Gegebenheiten der Eiszeitwelt allmählich an: Die ersten Wollnashörner traten vor etwa 2,5 Millionen Jahren im tibetischen Hochplateau auf, berichten Kahlke und seine Kollegen, die für ihre Studie zahlreiche Nashornüberreste aus ganz Eurasien untersuchten. Die Rhinozerosse verzehrten zunächst eine Mischnahrung, zu der auch die Blätter von Sträuchern und Bäumen gehörten.
Doch mit der Zeit entwickelten sich die Tiere zu Spezialisten für Gras und andere faserige Bodengewächse. „Unsere Analyse zeigt, dass Coelodonta tologoijensis den Kopf tief über dem Boden trug und ein rasenmäherartiges Maul mit einem massiven Mahlgebiss besaß. Damit konnte es das Nahrungsangebot effizient nutzen“, erläutert Ralf-Dietrich Kahlke. Die zwei beeindruckenden Hörner dienten vermutlich nicht nur zum Kämpfen, sondern auch zum Ausgraben von Nahrung. Das zeigen Abnutzungsspuren auf den Hörnern.