Die ersten Landtiere konnten wahrscheinlich durch ihr Ohr atmen. Zu diesem Ergebnis kamen schwedische Biologen, als sie einen versteinerten Schädel des ausgestorbenen Tieres Panderichthys untersuchten, einem im Wasser lebenden engen Verwandten der ersten Landwirbeltiere. Dabei entdeckten die Forscher ein für Fische typisches Atemloch, das jedoch ungewöhnlich groß war und damit schon dem Mittelohr der frühesten Landlebewesen ähnelte. Diese haben wahrscheinlich ihr Mittelohr sowohl zum Luftholen als auch zum Hören benutzt.
Die Hörorgane aller an Land beheimateten Lebewesen haben eines gemeinsam: Sie bestehen aus dem Innenohr, das die gehörten Töne in Nervenimpulse umwandelt, und dem Mittelohr. Dieses empfängt den Schall aus der Luft und leitet die Schwingungen an das Innenohr weiter. Dazu nutzt es das Trommelfell und die Gehörknöchelchen. Fische hingegen haben lediglich ein Innenohr. Darüber befindet sich ein Loch, das allerdings nur zum Atmen dient und für das Hören keine Funktion hat. Wissenschaftlern war bislang unklar, wie sich das Mittelohr im Laufe der Evolution von Fischen zu Landlebewesen entwickeln konnte.
Martin Brazeau und Per Ahlberg gingen dieser Frage nun auf den Grund, indem sie einen Panderichthys-Schädel aus einem lettischen Museum näher studierten und das Aussehen der Kiemen- und Ohrpartie genau beschrieben. In der Evolutionsbiologie gilt Panderichthys als Übergangsform zwischen Fischen und den ersten Vierfüßern, den so genannten Tetrapoden. Deshalb verglichen die Wissenschaftler das lettische Fossil mit seinen fischartigen Vorfahren sowie seinen an Land lebenden Enkeln.
Ihr Ergebnis: Panderichthys hatte einen wesentlich breiteres und geradlinigeres Luftloch als seine schwimmenden Vorgänger. Dieses ermöglichte ihm, große Mengen Wasser einzuatmen. Auch die ersten Landlebewesen besaßen eine Öffnung dieser Bauart, durch die sie wahrscheinlich Luft inhalierten. Anders als bei Panderichthys hatte sich bei ihnen aber schon eine Art Mittelohr mit einem Ohrknöchelchen, dem Steigbügel, gebildet. Da der Steigbügel schon im Kontakt mit dem Innenohr stand, diente das frühe Mittelohr sowohl zum Atmen als auch zum Hören, vermuten die Wissenschaftler. Als das Hören im Laufe der Evolution immer wichtiger wurde, bildete sich schließlich das Trommelfell, welches das Luftloch komplett geschlossen habe, spekuliert Ahlberg.
Martin Brazeau und Per Ahlberg (Universität Uppsala): Nature, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nature04196 ddp/wissenschaft.de ? Anna-Lena Gehrmann