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Uraltes „Milchzahn“-Konzept

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Uraltes „Milchzahn“-Konzept
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Fossiler Kieferknochen eines 424 Millionen Jahre alten Fisches. Credit: Henning Blom
Sie beginnen zu wackeln und verlieren schließlich ganz den Halt – doch bei den ausgefallenen Milchzähnen der Kindheit handelt es sich eigentlich gar nicht mehr um komplette Zähne: Die Wurzel fehlt – sie löst sich vorher im Kiefer auf, um die Zähne zu lockern. Dieses Grundkonzept beim Zahnersatz gab es offenbar schon bei Fischen vor 424 Millionen Jahren, belegen nun faszinierend detaillierte Untersuchungen eines fossilen Kiefers.

Beißen, kauen, nagen: Zähne sind besonders intensiv von Verschleiß betroffen, deshalb werden sie bei vielen Tieren im Laufe des Lebens ersetzt. Überraschenderweise war das aber bei den frühen Wirbeltieren noch nicht der Fall: Die Zähne dieser Fische waren mit dem Kieferknochen noch fest verbunden und konnten nicht ersetzt werden, zeigen Funde. Doch irgendwann entwickelten sich dann unabhängig voneinander zwei unterschiedliche Konzepte des Zahnersatzes: Bei Haien lösen sich spezielle Fasern auf, die den Zahn im Hautgewebe verankern, wonach er schließlich ausfällt und durch einen nachwachsenden ersetzt wird. Bei Knochenfischen und Landwirbeltieren – zu denen auch wir letztlich gehören – sind Zähne hingegen durch ein spezielles Gewebe fest mit dem Kieferknochen verbunden. Um diese Verbindung zu brechen, lösen und resorbieren bestimmte Zellen das Dentin beziehungsweise Knochengewebe an der Verankerungsstelle. Dehalb haben Milchzähne nach dem Ausfallen keine Wurzel mehr.

Einblicke bis auf die zelluläre Ebene

Nun haben Forscher um Donglei Chen von der Universität Uppsala Einblicke gewonnen, wie tief dieses Konzept in der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere zurückreicht. Sie untersuchten im Rahmen ihrer Studie den versteinerten Kieferknochen eines 424 Millionen Jahre alten Fossils von Andreolepis – eines Wesens, das dem gemeinsamen Vorfahren aller heutigen Knochenfische und Landwirbeltiere nahe gestanden hat. Die Untersuchung des nur etwa einen Zentimeter großen Kiefer-Stücks des Fossils offenbarte Spannendes: Seine innere Mikrostruktur ist vollkommen erhalten geblieben und birgt somit Informationen zur Wachstumsgeschichte.

Früher mussten Wissenschaftler Dünnschnitte von solchen Untersuchungsobjekten anfertigen und diese mikroskopisch untersuchen, um Einblicke zu gewinnen. Durch moderne Verfahren der Computertomografie gelang es den Forschern nun hingegen, zerstörungsfrei dreidimensionale Detailaufnahmen der fossilen Kieferstrukturen zu erhalten. So zeichnete sich der ganze Prozess ab, wie das Zahnen bei dem Tier einst ablief – sowohl wie sich neue Zähne bildeten, als auch wie sich alte lösten.

Ein Auflösungsprozess zeichnet sich ab

„Jedesmal, wenn ein Zahn gelöst wurde, bildete sich ein Löchlein, wo er befestigt war“, berichtet Chen. Wenn dann der darauffolgende Ersatzzahn durch das Befestigungsmaterial dort zementiert wurde, blieb die alte Lösungsoberfläche wie eine schwache Narbe im Knochengewebe erhalten. „Ich habe bis zu vier dieser Narben unter manchen Zähnen entdeckt – gestapelt wie Teller in einem Schrank. Dies zeigt, dass die Zähne im Leben des Fisches mehrmals ersetzt wurden“, erklärt Chen.

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Es handelt sich somit um den ältesten bekannten Nachweis des Zahnersatz-Prozesses, bei dem die Basis des Zahns resorbiert wird. Offenbar handelte es sich um ein ausgesprochen nachhaltiges Erfolgskonzept, denn noch immer entledigen sich einige heutige Fischarten auf sehr ähnliche Weise ihrer alten Zähne und letztlich ist auch bei uns das Grundkonzept noch vorhanden.

Wie die Forscher betonen, sind bei der Studie nicht nur die Ergebnisse spannend, sondern auch der Erfolg der bahnbrechenden Untersuchungsmethode: „Die Menge der biologischen Informationen, die wir von den Scans erhalten haben, ist einfach erstaunlich: Wir können den Prozess des Wachstums und der Resorption bis hinunter auf die zelluläre Ebene sehen, fast wie bei einem lebenden Tier“, schwärmt Co-Autor Per Ahlberg. Wenn wir diese Technik nun auch bei anderen Fossilien anwenden, können wir einstige Lebensabläufe besser verstehen – und vielleicht einige Überraschungen erleben „, so der Forscher.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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