Von der auffälligen Version der Rose bis zu den unscheinbaren Blüten der Maispflanzen oder vieler Laubbäume: Sie alle besitzen einen typischen Aufbau, der sie als Angiospermen ausweist. Ihr Hauptmerkmal ist: Ihre Samenanlagen sind in ein geschlossenes Fruchtblatt gehüllt, daher kommt auch die alternative Bezeichnung Bedecktsamer. Im Laufe der Evolutionsgeschichte hat diese Pflanzengruppe eine enorme Vielfalt hervorgebracht: Heute besiedeln etwa 226.000 verschiedene Arten die unterschiedlichsten Lebensräume der Erde. Fossilienfunde verweisen bereits auf das Zeitalter des Oberjura beziehungsweise der Unterkreide als Beginn der blumigen Revolution. Doch es gibt noch immer viele offene Fragen zur Evolutionsgeschichte der Pflanzengruppe, die heute unseren Planeten prägt.
„Die erste Blüte beleibt ein Mythos”
„Die erste Blüte ist genaugenommen ebenso ein Mythos wie der erste Mensch”, sagt David Dilcher von der Indiana University in Bloomington. Denn in der Evolution hat man es mit schleichenden Übergängen zu tun. Doch ihm und seinen Kollegen zufolge kommt die von ihnen nun untersuchte Pflanze dieser Bezeichnung zumindest nahe. Bei Montsechia vidalii handelt es sich um eine Wasserpflanze, die einst unter der Oberfläche von Süßwasserseen wuchs, dort, wo sich heute die Pyrenäen Nordspaniens erstrecken. Fossilien dieser Gewächse sind bereits seit 100 Jahren bekannt. Doch bisher hatte sie niemand so genau unter die Lupe genommen wie nun Dilcher und seine Kollegen.
Die Schlussfolgerungen der Paläobotaniker basieren auf Analysen von mehr als 1.000 versteinerten Überreste von Montsechia. Die Forscher konnten diese auf ein Alter von 125 bis 130 Millionen Jahren datieren – das macht diese Gewächse zu Zeitgenossen von Dinosaurierarten wie Brachiosaurus, Iguanodon und Co. Für ihre Untersuchungen präparierten die Forscher die filigranen Strukturen der Pflanzen durch chemische Methoden aus dem Gestein. Anschließend untersuchten sie sie mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie.
Montsechia blühte unter Wasser
Diese detaillierte Untersuchung war nötig, denn auf oberflächlich betrachtet lässt sich das unscheinbare Kraut kaum den Blütenpflanzen zuordnen: „Montsechia besitzt keine offensichtlichen Blütenteile, wie Blütenblätter oder etwa Nektar produzierenden Strukturen zum Anlocken von Insekten – die Pflanze durchlief ihren gesamten Lebenszyklus unter Wasser”, erklärt Dilcher. Doch die genauen Analysen der reproduktiven Organe offenbarten charakteristische Merkmale der Angiospermen, berichten die Forscher.
Dass es sich bei Montsechia um eine Wasserpflanze handelte, kommt nicht ganz überraschend, denn auch bei einer weiteren bekannten Ur-Angisperme – Archaefructus sinensis – handelte es sich um ein aquatisches Gewächs. Montsechia könnte aber noch älter gewesen sein, sagen die Forscher. Ihnen zufolge ähnelte die Pflanze dem sogenannten Hornblatt (Ceratophyllum), einer Wasserpflanze, die bei Aquarianern sehr beliebt ist. Auch sie bildet unscheinbare Blüten in den Blattachseln – sowohl Befruchtung als auch Samenbildung laufen unter Wasser ab.
Die aktuellen Ergebnisse bestätigen nun frühere Vermutungen, dass am Beginn der Entwicklung der Bedecktsamer Wasserpflanzen eine wichtige Rolle gespielt haben. Dilcher und seine Kollegen wollen nun auch weiterhin der Evolution der Blütenpflanzen nachforschen. „Es gibt noch viele Geheimnisse zu lüften, wie aus ein paar Arten schließlich diese enorme und wunderschöne Vielfalt von Blütenpflanzen entstand”, so der Paläobotaniker.