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Tischmanieren zur Dino-Zeit

Erde|Umwelt

Tischmanieren zur Dino-Zeit
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Muskeln an der richtigen Stelle: Seine ungewöhnliche Nackenmuskulatur ermöglichte es Allosaurus, wie ein Falke auf seine Beute herabzustoßen. Bild: WitmerLab, Ohio University
Sie waren entfernte Cousins, glichen sich aber im Aussehen fast wie Brüder: der gigantische Tyrannosaurus rex und der etwas zierlichere Allosaurus, der allerdings viele Millionen Jahre früher lebte. Was jedoch ihre Tischmanieren angeht, waren sich die beiden Raubsaurier wohl weniger ähnlich, hat jetzt ein US-Paläontologenteam gezeigt: Während T. rex seine Beutetiere nämlich brutal schüttelte, pflegte sein kleinerer Cousin einen eher eleganten Stil – er pflückte das Fleisch wie ein Falke vom Knochen.

Der gigantische Tyrannosaurus packt mit seinen riesigen Zähnen fest zu und wirft seinen massigen Kopf mehrmals von rechts nach links. Durch das Schütteln löst sich irgendwann ein Fleischstück von seiner Beute, das der Raubsaurier dann gierig verschlingt – ähnlich, wie es auch heute noch die Krokodile tun. Doch war, was für T. rex galt, die Regel am Dino-Futterplatz? Vor allem bei Raubsauriern wie dem Allosaurus, dessen Gestalt der von T. rex stark ähnelte, waren Paläontologen bisher davon ausgegangen, dass er sich bei Tisch genauso verhielt wie sein berühmter Cousin.

Big Al im Computertomographen

Die Antwort auf diese Frage lieferte jetzt der 150 Millionen Jahre alte „Big Al“, beziehungsweise ein Abguss vom Schädel dieses berühmten Allosaurus-Skeletts, das schon als Hauptdarsteller in einer BBC-Produktion brillierte. Diesmal musste die Nachbildung in einen Computertomographen, wo ihre Knochenstruktur genau gescannt und anschließend in ein dreidimensionales Modell im Computer überführt wurde. Damit konnten der Paläontologe Eric Snively von der Ohio University und seine Kollegen dann verschiedene Szenarien durchspielen, bei denen sie die Ansatzpunkte der Muskeln, die Dichte von Knochen und Gewebe, Positionen von Hohlräumen im Schädel sowie Luftröhre und den Bewegungsradius der verschiedenen Gelenke variierten beziehungsweise so genau wie möglich rekonstruierten. Die Basis für diese Werte war vor allem die Anatomie der heute noch lebenden Verwandten und Nachfahren der Dinos, die Vögel und die Krokodile.

Dabei fand das Team einen wesentlichen Unterschied zwischen Big Als Bauplan und dem von T. rex, den Snively bereits aus früheren Untersuchungen kannte: die Position eines entscheidenden Muskels im Hals namens Musculus longissimus capitis superficialis. Bei T. rex und Co erstreckt er sich von der Seite des Halses bis zu einer knochigen, flügelartigen Struktur am hinteren äußeren Ende des Schädels. „Dieser Halsmuskel fungiert wie ein Reiter, der die Zügel am Zaumzeug eines Pferdes anzieht“, erläutert Studienleiter Snively. „Wenn sich der Muskel an einer Seite zusammenzieht, bewegt er den Kopf in diese Richtung. Ziehen die Muskeln an beiden Seiten, bewegt sich der Kopf gerade nach hinten.“

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Knackpunkt Nackenmuskulatur

Bei Allosaurus sei dieser Muskel dagegen sehr viel tiefer am Schädel befestigt gewesen, berichtet der Paläontologe. Das heißt: „Allosaurus war da einzigartig ausgestattet, denn er konnte seinen Kopf tief in seine Beute hineinstoßen, ihn dort halten und ihn dann sehr schnell gerade nach oben und hinten ziehen, indem er seinen gesamten Körper bewegte. Dabei riss er Fleisch aus dem Beutestück – ähnlich wie ein Bagger die Erde aufreißt“, illustriert Snively. Eine derartige Technik kenne man heute von kleinen Greifvögeln wie etwa Turmfalken.

Der zweite Unterschied zwischen Allosaurus und Tyrannosaurus: Allosaurus hatte einen ungleich leichteren Kopf als sein größerer Cousin. Das brachte ihm deutliche Vorteile, sind die Wissenschaftler überzeugt: Zusammen mit der besseren Beweglichkeit des Kopfbereichs dank des anders angesetzten Muskels war er sehr viel flexibler, was seine Jagdstrategien anging. Er konnte beispielsweise den Kopf sehr schnell hin und her drehen und praktisch mitten in dieser Bewegung zustoßen. Der große, schwere Kopf von Tyrannosaurus erlaubte das nicht – das Trägheitsmoment während einer Drehbewegung war einfach zu stark.

Pirouetten mit Bowlingkugeln in der Hand

Man könne sich den Unterschied am besten am Beispiel einer Eiskunstläuferin vorstellen, die eine Pirouette dreht, so Snively: Die Bewegungsmuster von Allosaurus glichen dabei den rasanten Drehungen, die der Sportlerin gelingen, wenn sie ihre Arme dicht an den Körper zieht. Um sich so träge wie T. rex zu bewegen, müsste sie dagegen die gleiche Drehung mit ausgestreckten Armen durchführen – und dabei noch in jeder Hand eine Bowlingkugel halten. Allerdings hatte die Leichtigkeit von Allosaurus laut Snively nicht nur Vorteile: Sie ging zu Lasten der Kraft, die der Dino mit seinem Kopf ausüben konnte. Also musste er, um Fleisch von einem Kadaver reißen zu können, seinen gesamten Körper einsetzen, während T. rex dafür seine gewaltigen Nackenmuskeln ausreichten.

Eric Snively (Ohio University, Athens) et al.: Palaeontologia Electronica, Vol. 16, Issue 2; 11A 29p © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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