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Die Urzeitkrebse, die gar nicht aus der Urzeit stammen

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Die Urzeitkrebse, die gar nicht aus der Urzeit stammen
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Star im Kinderzimmer, trotz falscher Altersangabe: Urzeitkrebs Triops. Bild: Africa Gomez, CC-BY 3.0
Sie gehören zu den Stars der Kinderzimmer: die Urzeitkrebse. Ob als Gimmick in Comic-Magazinen oder als Forschungsobjekt in Experimentierkästen – kaum ein wissbegieriges Kind hat wohl noch nicht die getrockneten Eier der Krebse ins Leitungswasser gegeben und staunend verfolgt, wie sich im Lauf weniger Tage die Tiere entwickelten. Viele gehören zur Gattung Artermia, manche – insbesondere die aus Experimentierkästen – jedoch auch zur Gattung Triops. Vor allem bei letzteren wähnte man ein Stückchen Urzeit in seinem Aquarium zu beherbergen, denn die Triops-Krebse galten als die älteste noch lebende Tierart der Welt. Britische Forscher haben diesem Mythos nun einen Teil des Zaubers genommen: Sie haben mit Hilfe genetischer Studien entdeckt, dass die heutigen Vertreter von Triops nicht seit 250 Millionen Jahren die Erde bevölkert – die modernen Arten entstanden vielmehr erst vor etwa 25 Millionen Jahren.

Betrachtet man Fossilienfunde, scheinen sich einige Pflanzen und Tiere seit Jahrmillionen überhaupt nicht verändert zu haben. Sie werden folgerichtig „lebende Fossilien“ genannt. Typische Vertreter sind beispielsweise der Quastenflosser, die Pfeilschwanzkrebse und der Ginkgo-Baum. Auch der zu den Rückenschalern zählende Triops gehört dazu. Er gilt sogar als Paradebeispiel für ein lebendes Fossil: Vor über 250 Millionen Jahren tauchten die ersten Exemplare auf – und deren Körperbau ist nahezu identisch zu dem der Rückenschaler, die heute in Pfützen, lediglich zeitweise gefüllten Süßwasserseen und besagten Aquarien in Kinderzimmern zu finden sind. Triops gilt damit als das älteste heute noch lebende Tier überhaupt.

Viele Veränderungen unter der Haube

Tatsächlich ist die Evolution von Triops aber nicht etwa vor 250 Millionen Jahren stehengeblieben, zeigt nun die neue Analyse der Briten. Sie verlief vielmehr im Verborgenen: Der äußere Körperbau erscheint gleich, im Inneren veränderten sich die Tiere jedoch mehrmals drastisch. Man könne sich das vorstellen wie bei Autos, erläutert Africa Gómez von der University of Hull, Seniorautorin der Studie: „Der Mini beispielsweise hat ein altes Design, das immer noch verkauft wird. Heute produzierte Minis haben aber elektrische Fensterheber, GPS und Airbags – sie haben sich also weiterentwickelt. Sie sind nicht unverändert, sondern der größte Teil der Veränderung fand sozusagen unter der Haube statt, nicht außen.“ Auch lebende Fossilien könnten sich derartig weiterentwickeln – sie hätten nur zufällig einen hervorragend funktionierenden Körperbau, an dem im Lauf der Zeit keine Optimierungen notwendig wurden.

Für ihre neue Analyse hatten die Wissenschaftler einzelne Gene von Triops, der Schwestergattung Lepidurus und einiger anderer verwandter Kiemenfußkrebse untersucht und berechnet, wie schnell und wie stark sie sich im Lauf der Zeit veränderten. Dabei entdeckten sie, dass sich die Linien von Lepidurus und Triops vor etwa 185 Millionen trennten – zu einer Zeit, in der beide Gattungen nahezu weltweit verbreitet waren. Dann muss jedoch eine große Aussterbewelle einen großen Teil der damals existierenden Arten hinweggerafft haben, so die Forscher. Erst vor etwa 73 Millionen Jahren begannen Triops und Co, sich wieder stärker zu vermehren und auch neue Arten zu bilden.

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Vögel als Transportvehikel

Ihren Siegeszug um die Erde traten die winzigen Krebse dabei möglicherweise mit den Vögeln an, denn deren Verbreitungsmuster ähnelt dem von Triops sehr stark, erläutert das Team. Die heutigen Kinderzimmer-„Urzeitkrebse“ der Art Triops cancriformis entstanden vor etwa 25 Millionen Jahren und sind eine von mindestens 38 verschiedenen Triops-Arten, die heute auf der Welt leben. Mit den Triops-Exemplaren, die zur Zeit der Dinosaurier lebten, haben die heutigen Urzeitkrebse nur wenig gemein – abgesehen von ihrem Aussehen, betonen die Wissenschaftler.

Thomas Mathers (University of Hull) et al.: PeerJ, doi: 10.7717/peerj.62 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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