Das Raumschiff Sojus TM-31 mit dem US-Astronauten William Shepherd und seinen russischen Kollegen Sergej Krikaljow und Juri Gidsenko hob bei dichtem Nebel am Morgen planmäßig vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in der Steppe Kasachstans ab. Knapp zehn Minuten nach dem Start erreichte die Kapsel die vorgesehene Umlaufbahn.
Vom Eintritt in die Umlaufbahn an war der Funkverkehr zwischen der Bodenleitzentrale bei Moskau und der Sojus-Kapsel zeitweilig gestört. Dies wurde von russischer Seite als “nicht dramatisch” bewertet. Nach einer ersten Erdumrundung schälte sich die künftige ISS-Besatzung in der engen Kapsel aus den schweren Raumanzügen.
Wichtigste Aufgabe der Raumfahrer ist es, die Computer der drei ISS-Module miteinander zu verbinden und die Bordsysteme in Gang zu setzen. Die Station war bisher nur für kurze Wartungsstopps von Besatzungen der US-Raumfähren besucht worden.
Der Bau der ISS war vor allem wegen Geldmangels und technischer Probleme auf russischer Seite um fast zwei Jahre verzögert worden. Erst in diesem Sommer startete das Herzstück der Station, das in Russland gebaute Wohn- und Servicemodul “Swesda” (Stern) – eine Weiterentwicklung der fast 15 Jahre alten Weltraumstation Mir. Bereits seit Ende 1998 schweben das russische Nutzlastmodul “Sarja” (Morgenröte) und der amerikanische Schleusenknoten “Unity” (Einheit) aneinandergekoppelt im All.
Die erste ISS-Besatzung wird während ihrer 117 Tage im All Besuch von einer US-Raumfähre bekommen und zwei russische Progress-Frachter mit zusätzlicher Ausrüstung empfangen. Der 51-jährige Shepherd leitet die Mission. Der Flug der ISS soll in den ersten Jahren vor allem vom russischen Kontrollzentrum bei Moskau gesteuert werden. Dennoch wird der Funkverkehr fast ausschließlich auf Englisch geführt, lediglich beim Flug der ISS über russische Bodenleitstellen darf auch Russisch gesprochen werden.
Russland hat nicht genügend Geld, um gleichzeitig an der ISS mitzuarbeiten und das alternde Weltraumlabor Mir am Leben zu erhalten. In den vergangenen Monaten wurden wiederholt russische Raketen und Raumschiffe aus der ISS-Reserve für Flüge zur Mir eingesetzt. Dies rief Kritik vom wichtigsten ISS-Partner USA hervor. Die russische Regierung plant nun, die Mir im kommenden Februar nach 15 Jahren im Orbit aufzugeben, wenn bis dahin keine privaten Geldgeber gefunden werden.
Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) würdigte den erfolgreichen Start zur ISS als “bedeutenden Schritt für die grenzüberschreitende Kooperation in der internationalen Forschung”. Mit dem Bezug der Station beginne ein neues Zeitalter in der Raumfahrtforschung, sagte sie. Im Europäischen Astronautenzentrum in Köln verfolgten Wissenschaftler, Schülergruppen und Journalisten per Videoübertragung den Start. Der deutsche Astronaut Reinhold Ewald sagte, die ISS eröffne eine neue Dimension für die Forschung.
Der Bau der ISS soll erst in fünf bis sechs Jahren abgeschlossen werden. Die Gesamtkosten werden auf mehr als 200 Milliarden Mark geschätzt. Voraussichtlich 2004 startet das europäische Weltraumlabor “Columbus”. An dem größten internationalen Forschungsprojekt im All sind 16 Nationen beteiligt, darunter Deutschland.