Wenn es an Männchen mangelt, neigen Haifischweibchen häufiger als gedacht zur Jungfernzeugung. Das schließen US-amerikanische Forscher aus der bislang zweiten Beobachtung einer Jungfernzeugung unter Haien: Als die Zoologen um Demian Chapman von der Universität in Stony Brook ein totes Schwarzspitzenhai-Weibchen untersuchten, entdeckten sie zu ihrer Überraschung, dass der Fisch trächtig war, genetische Analysen jedoch keinerlei Hinweise auf einen väterlichen Erbgutanteil im Fischembryo ergaben. Da Haifische zu den evolutionsgeschichtlich sehr alten Tieren zählen, gibt es die Jungfernzeugung bei ihnen vermutlich schon sehr lange, schreiben die Forscher.
Die Gruppe um Chapman hatte im Mai vergangenen Jahres zum ersten Mal überhaupt bei einem Hai eine Jungferngeburt nachgewiesen. Die damalige Beobachtung bei einem
Hammerhai galt jedoch als große Ausnahme, wenn nicht gar einzigartig unter den Haifischen. Daher waren die Wissenschaftler sehr überrascht, als sich ein in einem Zooaquarium gestorbenes Weibchen der Art Kleiner Schwarzspitzenhai als trächtig herausstellte. Diese Haifischdame war acht Jahre lang von Männchen isoliert gehalten worden, berichten die Forscher. Wie bei dem Hammerhaiweibchen untersuchten die Forscher auch diesmal den Nachwuchs mit genetischen Methoden, wie sie auch beim Menschen für Vaterschaftstests angewandt werden ? nur dass sie keinerlei Erbgut eines potenziellen Vaters vorfanden.
Bei einer solchen Jungfernzeugung reift ein Embryo heran, ohne dass männliche Spermien mit weiblichen Eizellen verschmolzen sind. Vielmehr verdoppelt die Eizelle ihren Erbgutsatz und ersetzt den fehlenden männlichen Beitrag. Dies sei aber keinesfalls die Regel, betonen die Forscher. Die Jungfernzeugung könne auch nicht wesentlich zur Arterhaltung betragen, da einerseits weniger Nachkommen gezeugt würden und diese andererseits als Klone ihrer Mutter genetisch nicht so gut für das Leben gerüstet seien. Dies wäre ein Nachteil für das Überleben in den Tiefen der Ozeane.
Die Jungfernzeugung wurde bislang bei Knochenfischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln beobachtet. Bei den zu den Knorpelfischen gehörenden Haien war sie lange umstritten, da die Weibchen die Samenzellen auch nach der Paarung noch lange Zeit hätten speichern können. Erst genetische Analysen halfen, diesen Disput zu entscheiden.
Demian Chapman (Universität in Stony Brook) et al.: Journal of Fish Biology, Bd. 73, S. 1473. ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer