Wenn Krähen sich mit Artgenossen bitter um Nestplätze oder Futter gestritten haben, suchen sie anschließend Trost bei ihren Lebenspartnern. Dabei berühren sich die überwiegend monogam lebenden Vögel mit ihren Schnäbeln als würden sie sich küssen, haben britische Forscher um Nathan Emery beobachtet. Mit diesem Verhalten, das sonst eher für Primaten typisch ist, senken die Vögel ihren Stresspegel nach einem Streit. Außerdem könnte dieses vertraute Techtelmechtel die Paarbeziehung stärken, vermuten die Forscher.
Die Forscher beobachteten zehn in Gefangenschaft lebende Krähen ? vier Pärchen aus Männchen und Weibchen und zwei weibliche Singles ? mit einer Videokamera. Dabei hatten sie es insbesondere auf Streitereien unter den Vögeln abgesehen. Für die Auswertung verglichen sie dabei das Verhalten der Vögel zehn Minuten nach einem Streit mit dem in streitfreien Phasen. Dabei fanden sie heraus, dass sich die Lebenspartner untereinander nie stritten. Bei Konflikten mit anderen Krähen kamen die Kombattanten innerhalb von zwei Minuten zu ihrem Partner zurück, um im Ritual des Schnabelküssens Trost zu suchen. Das baut den Stress ab und lenkt die Aufmerksamkeit der Vögel wieder auf andere lebensnotwendige Aktivitäten, erklären die Biologen.
Ferner fiel den Forschern auf, dass sich die in Streit um Nistmaterial oder den größten Happen verwickelten Krähen nach dem Konflikt niemals miteinander aussöhnten. Dies unterscheidet die Krähen von Primatenarten: Schimpansen oder Paviane, die aus einem Streit als Sieger hervorgehen, machen dem Unterlegenen gegenüber eine versöhnliche Geste, etwa durch ein Grunzen oder einen Kuss. Affen deuten damit einen Waffenstillstand an, zumindest aber ein Ende des Streits, kommentiert die Verhaltensforscherin Joan Silk von der Universität von Kalifornien in Los Angeles.
Die Krähen, die anders als Primaten in festen Paarbeziehungen leben, seien zu solchen Versöhnungsgesten vermutlich weniger motiviert. In freier Wildbahn leben Krähen in Schwärmen mit Hunderten von Artgenossen, so dass ein tröstlicher Austausch mit dem Partner vielversprechender ist als der Friedensschluss mit einem Konkurrenten innerhalb des Schwarms.
Science, Online-Dienst Originalarbeit der Forscher: Nathan Emery (Cambridge University) et al.: Current Biology, Bd. 17, S. 152 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer