Wie sieht meine Mutter aus? Für viele neugeborene Tiere ist diese Frage überlebenswichtig, das gilt auch für Entenküken. Es ist bereits lange bekannt, dass sie sich in den ersten 15 Minuten nach dem Schlüpfen visuelle Eindrücke einprägen. Nach diesem Imprinting genannten Prozess folgen sie dem erlernten Objekt – in der Regel ist das die Mutter. Doch die Kleinen lassen sich auch auf andere bewegliche Objekte prägen: Sehen sie nach dem Schlüpfen einen blauen Ball, watscheln sie ihm ebenfalls treu hinterher. Dieses Verhalten haben die Forscher um Alex Kacelnik von der Oxford University nun noch genauer analysiert.
Bei ihren Experimenten prägten sie ihre frisch geschlüpften Probanden auf Kombinationen aus zwei Objekten, die in Form beziehungsweise Farbe entweder gleich oder unterschiedlich waren. Beispiel: Das Entlein bekam ein Bezugsobjekt bestehend aus einem Paar aus zwei gleichgroßen blauen Kugeln oder in einem anderen Fall aus einem Gespann von einer gelben und einer blauen Kugel. Ähnlich war es bezüglich Formen: Mal bestand das Präge-Paar beispielsweise aus zwei gleichen Pyramiden oder aber aus einem Würfel und einem langestreckten Quader. Wenn die jeweiligen Prägepaare in einem Versuchsraum bewegt wurden, folgten ihnen die Entlein.
Auf Gleichheit oder Ungleichheit geprägt
Nun nahmen die Forscher ihren flauschigen Versuchstiere diese erlernten „Mutter-Objekt-Paare“ allerdings weg. Stattdessen bekamen sie die Wahl, einem von zwei ihnen unbekannten Objektpärchen zu folgen. Dabei zeigte sich, dass sie bei ihrem „Mutter-Objekt-Paar“ das Merkmal „gleich“ bezeihungsweise „ungleich“ schätzen gelernt hatten: Wenn ein Küken beispielsweise auf die Gleichheit von zwei gleichgroßen Kugeln geprägt worden war, folgte es im Test bevorzugt einem Paar aus zwei gleichen Pyramiden und nicht einem Gespann aus zwei unterschiedlichen Objekten. Umgekehrt war es ebenso und auch bei Farbkombinationen konnten die Tiere mehrheitlich zwischen gleich und ungleich unterscheiden.
Den Forschern zufolge handelt es sich bei den Ergebnissen um den ersten Nachweis, dass Tiere zwischen entsprechend abstrakten Konzepten unterscheiden können, ohne vorher umfangreich darauf trainiert worden zu sein. „Andere Tiere haben diese Fähigkeit nur gezeigt, nachdem sie immer wieder für eine korrekte Leistung belohnt wurden. Unsere Entlein konnten dies wegen ihrer Veranlagung hingegen spontan“, sagt Kacelnik. Es handelt sich dabei um eine erstaunlich starke Leistung, betonen die Forscher. Die Frage, die sich daraus nun als nächstes ergibt lautet: Wie können sie die kleinen Gehirne erbringen?
Dieses Video veranschaulicht die Versuche der Forscher. Credit: Oxford University