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Neu im Club der tierischen Werkzeug-Nutzer

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Neu im Club der tierischen Werkzeug-Nutzer
Geschickt stochern sie nach versteckten Leckerbissen und knicken sich die Stöckchen dafür selbst zurecht: Auch die beinahe ausgestorbene Hawaiikrähe benutzt Werkzeuge, haben Biologen festgestellt. Neben der berühmten Neukaledonienkrähe ist sie damit nun die zweite bekannte Vertreterin aus der Familie der Rabenvögel mit diesem faszinierenden Talent.

Affen tun es, der Mensch natürlich, aber auch ein paar Vogelarten – sie setzen Werkzeuge ein, um bestimmte Ziele zu erreichen. In den letzten Jahren haben dabei vor allem die Neukaledonienkrähen ( Corvus moneduloides) Biologen mit ihren erstaunlichen Fähigkeiten verblüfft: Die cleveren Rabenvögel von der tropischen Pazifikinsel Neukaledonien stellen geschickt raffinierte Werkzeuge her, um nach Insekten in Baumlöchern zu angeln und begreifen komplexe Zusammenhänge. Dabei kam die Frage auf: Warum hat scheinbar nur die Neukaledonische Krähe unter den zahlreichen Arten aus der Familie der Rabenvögel diese technologischen Fähigkeiten hervorgebracht? Vor allem die Spezies entlegener tropischer Inseln sind allerdings sehr wenig erforscht, betonen die Forscher um Christian Rutz von der University of St Andrews. „Es könnte demnach noch einige unentdeckte Werkzeug-Nutzer geben“, sagt der Biologe.

Den Anstoß zur aktuellen Studie gab eine anatomische Besonderheit der bekannten Werkzeug-Nutzer: Neukaledonienkrähen haben auffällig gerade Schnäbel – das hat ihnen auch den deutschen Namen Geradschnabelkrähe eingebracht. „Wir fragten uns, ob dies eine typische Anpassung zum Halten von Werkzeugen sein könnte, ähnlich wie beim Menschen der gegenüberliegende Daumen“, sagt Rutz. Durch die Suche nach diesem Merkmal bei anderen Rabenvöglen stießen die Forscher dann schließlich auf einen vielversprechenden Kandidaten: Die Hawaiikrähe ( Corvus hawaiiensis) besitzt ebenfalls einen vergleichsweise geraden Schnabel.

Beinahe ausgestorben

Es handelt sich um eine Art, die nur knapp einem tragischen Ende entgangen ist:  Auf ihrer Heimatinsel Hawaii wurde sie vor allem Ende des 20. Jahrhunderts stark verfolgt und schließlich in der freien Wildbahn ausgerottet – nur einige wenige Tiere überlebten in Gefangenschaft. Heute gibt es noch rund 100 dieser einzigartigen Rabenvögel. Genau diese Tiere – die gesamte noch lebenden Population der Hawaiikrähe – wurde schließlich zu den Versuchstieren der Forscher. Die Mitarbeiter des Nachzuchtprogramms am San Diego Zoo freuten sich sehr über die Kontaktaufnahme der Wissenschaftler und beteiligten sich gern an der Studie zur gezielten Untersuchung des Werkzeuggebrauchs ihrer Hawaiikrähen. „Wir hatten bereits den Einsatz von Stocher-Werkzeugen gesehen, den Beobachtungen aber keine weitere Beachtung geschenkt“, sagt Bryce Masuda vom Hawaii Endangered Bird Conservation Program.

Nun dokumentieren Versuche und Videoaufnahmen eindeutig die ausgesprochen hochentwickelten Fähigkeiten der Hawaiikrähen: „Wir testeten 104 von 109 der existierenden Tiere und stellten fest, dass die klare Mehrheit von ihnen spontan Werkzeuge verwendet“, berichtet Masuda. Rutz ergänzt: „Die Ergebnisse belegen, dass der Werkzeuggebrauch Teil ihres natürlichen Verhaltensrepertoires ist und nicht ein Effekt der Gefangenschaft. In vielerlei Hinsicht sind die Fähigkeiten der Hawaiikrähen denen der Neukaledonienkrähen sehr ähnlich, die mein Team seit über zehn Jahren erforscht“, resümiert der Biologe.

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Dieses Video dokumentiert die faszinierenden Fähigkeiten der Hawaiikrähen. Credit: NPG Press

Die Entdeckung einer zweiten Werkzeug-nutzenden Art aus der Familie der Rabenvögel birgt interessante Hinweise über die Evolution dieser Fähigkeit, sagen die Forscher:  „Die Hawaiikrähe und die Neukaledonienkrähe sind nur vergleichsweise entfernt verwandt. Ihr letzter gemeinsamer Vorfahre lebte vor etwa elf Millionen Jahren. Vermutlich hat sich das Talent zum Werkzeuggebrauch deshalb unabhängig entwickelt“, sagt Rutz. „Dabei fällt auf, dass beide Arten auf entfernten tropischen Inseln leben, wo Spechte fehlen – offenbar die Bedingungen, unter denen die intelligenten Krähen zu versierten Werkzeug-Nutzern werden“, so der Biologe.

Zu den Ergebnissen meldet sich sogar die berühmte Schimpansen-Verhaltensforscherin Jane Goodall zu Wort, die in Afrika das Werkzeugverhalten der Schimpansen entdeckt hat: „Es ist wunderbar, von der Entdeckung von Werkzeuggebrauch bei anderen Tierarten zu hören. Nun können wir dieses Verhalten bei Vögeln und Primaten vergleichen“, so Goodall. „Die Entdeckung betont, wie wichtig der Erhalt von Tierarten ist – so können wir etwas über ihr Verhalten lernen, bevor sie für immer verschwinden“. Für die Hawaiikrähe zeichnet sich in diesem Zusammenhang nun Hoffnung ab: „Ende des Jahres werden wir in Gefangenschaft aufgezogene Hawaiikrähen auf Hawaii freilassen, um erneut eine wilde Population zu etablieren“, kündigt Masuda an.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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