Verwirrend komplex: Ein raffiniertes Konzept von Kombinationen und Faltungen von Aminosäure-Strukturen geben Proteinen einen bestimmten Charakter und ermöglichen damit spezielle Funktion. Ihr Bauplan ist dabei im Erbgut eines jeweiligen Lebewesens codiert. Die Makromoleküle verleihen nicht nur Körpergeweben Struktur, sie sind auch die Drahtzieher hinter vielen biologischen Funktionen – von der Umsetzung von Substanzen bis zur Vermittlung von Informationen. Viele Erkrankungen und Veranlagungen basieren auf bestimmten Versionen von Proteinen. Außerdem geben bestimmte Strukturmerkmale Wirkstoffen der Medizin spezielle Effekte.
Die Analyse komplexer Proteine ist knifflig
Mit modernen Verfahren können Wissenschaftler heute Informationen über den Aufbau von Proteinen gewinnen. Doch die Analyse der Daten ist knifflig: „Die Erfassung von Proteinfaltungen ist ein schwieriges Gebiet in der molekularbiologischen Forschung“, sagt Robert Bywater vom Francis Crick Institute in London. „Man muss nicht nur die Art der Faltung identifizieren, sondern auch nach Hinweisen auf mögliche Funktionen suchen.“ Hilfsmittel, die mehr Klarheit in das Gewirr einer Proteinstruktur bringen können, sind deshalb gefragt.
Bywater und seinen Kollegen zufolge könnte Musik diese Funktion erfüllen. Durch sogenannte Sonifikation haben sie Strukturdaten von Proteinen in musikalische Klänge beziehungsweise Melodien verwandelt. Über bestimmte Algorithmen entsteht dabei eine Kombination aus Bioinformatik und Musik. Letztlich produzieren die Abfolgen von bestimmten Strukturelementen der Proteine die Melodien – unterschiedliche Merkmale erzeugen dadurch auch andere Musik. Mit anderen Worten: Protein A klingt anders als Protein B.
Dieses Video verdeutlicht, wie das Verfahren der Sonifikation die Strukturelemente eines Proteins hörbar macht. Credit: Bywater and Middleton
Proteine machen charakteristische Musik
Doch können Menschen diese klingenden Unterschiede überhaupt feststellen? Dieser Frage sind die Forscher durch Tests mit Probanden nachgegangen. Sie fanden heraus, dass ein Großteil tatsächlich Verbindungen zwischen den Melodien und grafisch dargestellten Strukturelementen von Proteinen erkennen kann. „Wir sind zuversichtlich, dass man lernen kann, die Daten auch akustisch zu erfassen und wichtige Informationen aus den Erfahrungen zu ziehen“, sagt Jonathan Middleton von der Eastern Washington University in Chene. „Ohren könnten manchmal mehr als Augen erkennen, und wenn die Ohren einen Teil der Arbeit tun, dann werden die Augen frei, um nach anderem zu suchen“, so der Musikwissenschaftler.
Möglicherweise könnte das Konzept Forschern somit helfen, zwischen verschiedenen Proteinen zu unterscheiden, ihre Strukturen zu erkunden oder Mutationen ausfindig zu machen. Bywater und seinen Kollegen zufolge könnte das Potenzial der Sonifikation aber über den Bereich der Protein-Forschung hinausgehen: Man könnte beispielsweise auch genetische Informationen hörbar machen – Erbgut in Musik verwandeln.