Ihre erstaunliche Zähigkeit hat den Bärtierchen großes Interesse im Bereich der biotechnologischen und medizinischen Forschung eingebracht: Die knuddelig wirkenden Tierchen sind so widerstandsfähig, dass sie sogar die extremen Bedingungen eines Weltraumspaziergangs überstehen können. Bei den wissenschaftlich Tardigraden genannten Wesen handelt es sich um eine artenreiche Gruppe von 0,2 bis 1,0 Millimeter großen Tieren, die nahezu weltweit Gewässer, feuchte Böden und Moose besiedeln.
Skurrile Überlebenskünstler im Fokus
Sie können dort sowohl extreme Temperaturen als auch lange Trockenperioden überstehen. Je nach Bedarf frieren oder trocknen sie dazu ein und überdauern die Strapazen dann in einem tönnchenförmigen Zustand. Sogar Weltraum-Bedingungen können die skurrilen Überlebenskünstler auf diese Weise überstehen: Zu Versuchszwecken umkreisten einige Exemplare zehn Tage lang die Erde und waren dort dem Vakuum und der Strahlung ausgesetzt. Anschließend erwachten einige unbeschadet wieder zum Leben.
“Obwohl dieser Tierstamm wegen seiner Besonderheiten schon seit 245 Jahren im Fokus der Wissenschaft steht, ist über den Lebenszyklus und das Sexualverhalten getrennt-geschlechtlicher Bärtierchen-Arten bisher erstaunlich wenig bekannt”, erklärt Bodenzoologin Karin Hohberg vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz. “Wir haben uns diesem Aspekt nun am Beispiel der Bärtierchen-Art Isohypsibius dastychi angenommen.”
Wissenschaftlicher Voyeurismus
Um das Sexualverhalten zu beobachten, betätigten sich die Wissenschaftler als Partnervermittler: Sie trennten zunächst weibliche von männlichen Bärtierchen, um sie dann gezielt und unter Beobachtung wieder zusammenzuführen. “Nur so konnten wir die Paarung studieren und uns auch sicher sein, wie lange die Entwicklung nach der Eiablage andauert”, sagt Hohberg. Auf diese Weise gelang es der Co-Autorin Jana Bingemer im Rahmen der Studie über 30 Bärtierchen-Paare bei der Fortpflanzung zu beobachten und den Geschlechtsakt auf Video aufzuzeichnen.
“Für uns überraschend war das Vorspiel, das zwischen den Bärtierchenpaaren stattfand”, berichtet Bingemer. “Die Partner stimulieren sich wechselseitig: das Männchen legt sich um den Kopf des Weibchens und hält sich dort mit seinem ersten Beinpaar fest und das Weibchen stupst ihren Partner so lange leicht mit ihren stilettartigen Mundwerkzeugen an, bis dieser seinen Samen ejakuliert.” Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach während der bis zu einer Stunde andauernden Paarung.
Währenddessen legt das Weibchen ihre Eier in ihr sogenanntes Häutungshemd ab und steigt zuletzt aus dieser alten Haut, berichten die Forscher. Die Befruchtung findet daraufhin außerhalb des Körper in diesem Häutungshemd statt. Wenn das Weibchen keine Gelegenheit zur Paarung hat, muss es sich dennoch häuten. Dann streift sie ihre alte Haut allerdings ab, ohne darin die Eier abzulegen. Sie verbleiben dann im Körper und werden binnen weniger Tage resorbiert, um keine Ressourcen zu verschwenden. Nichtpaarungsbereite Weibchen werden dann von den männlichen Bärtierchen ignoriert. “Die aktuelle Studie zeigt uns, dass sich die Bärtierchen auch in ihrem Fortpflanzungsverhalten extrem effektiv verhalten – Energie wird nur aufgewandt, wenn es sich auch lohnt”, resümiert Hohberg.