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Der Krabbler aus Bielefeld

Technik|Digitales

Der Krabbler aus Bielefeld
Beine statt Räder – insektenähnliche Laufroboter meistern unwegsames Gelände. Leseprobe aus bild der wissenschaft 01/2017

Langsam tastet sich Hector voran – bis zu einem dicken Holzbalken, der dem sechsbeinigen Roboter den Weg versperrt. Für die meisten autonomen Maschinen wäre das ein kaum zu überwindendes Hindernis. Nicht so für Hector: Langsam hebt er sein linkes Vorderbein, setzt es nach vorne – und stößt gegen den Balken. Doch statt den Versuch zu wiederholen, schwingt Hector das Bein ein paar Zentimeter zurück, hebt es etwas weiter an und bewegt es erneut nach vorne. Treffer: Diesmal landet es auf dem Balken. Nach und nach erklimmen auch die anderen fünf Beine des Roboters das Holzstück, während das linke Vorderbein bereits die Kieselsteine hinter dem Hindernis ertastet.

Der sechsbeinige Hector, entwickelt an der Universität Bielefeld, ist einer der ersten Vertreter einer neuen Klasse von Robotern: Laufmaschinen nach dem Vorbild von Insekten. „Beine sind überall da interessant, wo Räder nicht funktionieren“, sagt Axel Schneider. Der Bielefelder Forscher leitet die Arbeitsgruppe Biomechatronik im Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC), die Hector gebaut hat.

Insekten als Vorbilder

Schon seit den 1980er-Jahren träumen Ingenieure von krabbelnden oder rennenden Maschinen. Solche Roboter könnten etwa bei Naturkatastrophen, bei der Erkundung fremder Planeten oder beim Militär nützlich sein – überall da, wo das Gelände zu unwegsam für rollende Vehikel ist. Doch die Probleme schienen lange unüberwindlich. Allein die Koordination mehrerer Beine stellt große Herausforderungen an die Steuerung. Forscher um Holk Cruse in Bielefeld und Robert Full an der University of Berkeley in Kalifornien wählten daher einen neuen Ansatz: Sie ließen sich von der Fortbewegung von Insekten inspirieren (bild der wissenschaft 3/2006, „Ohne Hirn läuft sich’s leichter“). In Bielefeld untersuchte man Stabheuschrecken, in Berkeley Kakerlaken.

Inzwischen krabbeln in den Labors der beiden Universitäten erstaunliche Roboterinsekten herum. Velociroach, das handtellergroße Modell aus Kalifornien, rast mit seinen sechs klauenförmigen Gliedern durch die Gegend und schafft mühelos fünf Meter pro Sekunde. Die Robo-Kakerlake kann im Laufschritt enge Kurven nehmen und sich zwischen Hindernissen hindurchzwängen, indem sie sich auf die Seite legt.

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Problem der Beinkoordination gelöst

Hector aus Bielefeld kann es zwar bei der Geschwindigkeit nicht mit Veloci‧roach aufnehmen. Doch dafür findet er sich in jeder Umgebung gut zurecht. „Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Regelungsansätze der Stabheuschrecken auf die Maschine zu übertragen“, berichtet Schneider. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Um sechs Beine zu koordinieren, braucht man keine zentrale Steuerung. Jedes Bein entscheidet am besten für sich, wann es sich bewegt. Einige einfache Regeln reichen aus, um einen Hexapoden wie Hector sicher über ein Geröllfeld zu lenken – ohne eine bestimmte Gangart oder Bewegungsabfolge vorzugeben. „Wichtig sind zudem elastische Gelenke“, betont Axel Schneider. Durch die federnden Bewegungen kann der Roboter die Umgebung erfühlen und auch auf unvorhergesehene Widerstände reagieren. Eine Kamera braucht er dafür nicht.

Während Industrieroboter bloß eine vorgegebene Bewegungsabfolge ausführen können und Forschungsroboter wie der Rover Curiosity auf dem Mars Tag für Tag neu programmiert werden müssen, sind Laufroboter wie Hector erstaunlich eigenständig. Bis die Labor-Krabbler in Serie gehen und etwa Verletzte aus eingestürzten Häusern befreien oder steile Vulkankrater erkunden, dürfte es allerdings noch einige Jahre dauern. „Beim Zusammenspiel von technischen und biologischen Systemen liegt die Tücke im Detail“, sagt Axel Schneider. Doch er ist überzeugt: Eines Tages werden krabbelnde Roboter ein genauso alltäglicher Anblick sein wie fliegende Drohnen heute.

 

  
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© wissenschaft.de – Ute Kehse
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